So günstig sind deutsche Aktien wirklich
Der sogenannte Buffett-Indikator hat vor Kurzem seine Höchstwerte aus der Dotcom-Ära erreicht. Und ich glaube, ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass es wahrscheinlich kaum Investoren gibt, die den Aktienmarkt in den USA für unterbewertet halten.
In Deutschland sieht es oberflächlich ganz anders aus. Kurs-Gewinn- oder Kurs-Buchwert-Verhältnisse des DAX befinden sich auf einem eher durchschnittlichen Niveau. Ersteres liegt zum Beispiel aktuell laut S&P Global Market Intelligence bei gerade einmal 12,9. Aber heißt das, dass Aktien aus Deutschland jetzt wirklich so viel attraktiver sind als US-Aktien?
Vorsicht
Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, heißt es doch so schön.
Und wie eigentlich immer, lohnt sich auch hier ein genauerer Blick, um zu verstehen, was wirklich Sache ist. Lass uns mal auf zwei Branchen schauen, die in der deutschen Wirtschaft und im DAX eine überdurchschnittliche Rolle spielen: die Autoindustrie sowie Banken und Versicherungen.
Autoindustrie
Wie du bestimmt mitbekommen hast, steht die Autoindustrie aktuell vor einigen Herausforderungen. Die Digitalisierung, autonomes Fahren oder die Elektromobilität sind nur drei der Trends, die Autobauer und ihre Zulieferer in den kommenden Jahren vor sehr große Herausforderungen stellen dürften. Hinzu kommen für die Unternehmen wenig hilfreiche Diskussionen um Strafzölle etc., die noch mehr Ungewissheit ins Spiel bringen.
Dass die Unternehmen in diesem Bereich in einigen Jahren noch dieselben Gewinne einfahren wie heute ist daher nicht gegeben. Das sieht offensichtlich auch die Börse so: Die Aktien von Autobauern und ihren Zulieferern sind derzeit besonders günstig. Rechnet man die vier DAX-Unternehmen in dieser Industrie zusammen, kommt man aktuell (am 14. August) auf ein KGV auf Basis der Gewinne in den letzten 12 Monaten von 6,8 – ein saftiger Abschlag von fast 50 % im Vergleich zu dem KGV von 12,9 für den gesamten DAX.
Banken/Versicherungen
Bei den Banken und Versicherungen sieht die Situation anders aus. Diesen bereitet unter anderem das Niedrigzinsumfeld und die vielen neuen Regularien seit der Finanzkrise spezielle Herausforderungen. Dazu kommen noch ganz individuelle Probleme, zum Beispiel bei der Deutschen Bank, die in den letzten 12 Monaten einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro eingefahren hat.
Eine Betrachtung des KGVs macht daher bei der Deutschen Bank alleine deswegen schon wenig Sinn. Aber allgemein ist diese Kennzahl für Unternehmen aus der Finanzindustrie sowieso nur bedingt aussagekräftig, weswegen unter anderem auch das KGV der Münchener Rück von rund 43 die Bewertung des DAX verzerrt.
So steht es wirklich um die Bewertung des DAX
Ich denke, es macht deshalb Sinn, die Bewertung des DAX entsprechend differenziert zu betrachten. Und dann sieht das Bild so aus:
KGV | |
DAX | 12,9 |
DAX (ohne Auto & Banken/Versicherungen) | 15,6 |
DAX (nur Banken/Versicherungen) | 19,1 |
DAX (nur Auto) | 6,8 |
Datenquelle: S&P Global Market Intelligence; Stand: 14.08.2018
Betrachtet man den DAX ohne die Unternehmen aus den besprochenen „Problembranchen“ kommen wir also auf ein KGV von 15,6. Das sieht schon etwas anders aus, aber aus meiner Sicht auch nicht ganz überteuert. Allerdings haben wir im DAX auch die größten und viele der am wenigsten dynamischsten Unternehmen, so dass eine relativ geringe Bewertung nachzuvollziehen ist.
Schauen wir zum Schluss einmal etwas mehr in die Breite und mehr auf Unternehmensbasis, anstatt auf die Gesamtheit aller Unternehmen in einem Index. Konkret betrachte ich die Median-Bewertung der vier bekanntesten Indizes deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich.
Der Median gibt genau die Mitte des Bewertungsspektrums an. Die Hälfte aller Aktien weisen also eine höhere Bewertung als der Median auf und die andere Hälfte eine niedrigere (Unternehmen ohne Gewinne habe ich zur ersten Hälfte gezählt). Bei dieser Betrachtung müssen wir auch nicht einzelne Industrien ausschließen, da diese das Bild praktisch nicht verzerren.
Index | Median KGV |
ATX (Österreich) | 12,4 |
Nikkei (Japan) | 13,7 |
DAX | 14,7 |
MDAX | 17,9 |
FTSE All Share (Großbritannien) | 18,1 |
SDAX | 19,5 |
SMI (Schweiz) | 27,7 |
Russell 3000 (USA) | 28,0 |
Shanghai Composite (China) | 28,7 |
TECDAX | 51,2 |
S&P 500 (USA) | 53,2 |
Datenquelle: S&P Global Market Intelligence; Stand: 14.08.2018
Auch im internationalen Vergleich sehen die Bewertungen der Unternehmen in den meisten deutschen Indizes also relativ günstig aus. Nur der TECDAX kann es mit den USA aufnehmen, wo jeweils mehr als die Hälfte der Unternehmen entweder ein KGV von mehr als 50 aufweisen oder verlustträchtig sind. In diesen beiden Indizes dürfte die Suche nach attraktiv bewerteten Unternehmen schon sehr schwer fallen, während man in den anderen deutschen Indizes wahrscheinlicher fündig werden kann, auch außerhalb des Autosektors. Für mich und alle anderen „Stock Picker“ sind das erfreuliche Nachrichten.
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Offenlegung: Bernd Schmid besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.