Teil 4: Die Aktien, von denen Anfänger ihre Finger lassen sollten

Im vorigen Beitrag haben dir vier unserer Autoren jeweils Aktie vorgestellt, die sie für Einsteiger-Investoren als am besten geeignet ansehen. Jetzt machen wir das Gegenteil: Welche Aktie sollte ein Anfänger besser nicht als Einstieg nutzen.

Ob es sich dabei um schlechte Unternehmen handelt oder ob es andere Gründe für ihre Entscheidung gibt, das sagen dir die vier am besten selbst. Wir hoffen, du kannst etwas daraus lernen.

Los geht’s.

Sven Vogel

An den Aktienmärkten gibt es keine absoluten Sicherheiten. Niemand weiß mit absoluter Sicherheit, wie sich Branchen, Unternehmen oder gar Aktienkurse in der Zukunft entwickeln werden. Wer etwas anderes behauptet, lügt. Aber es gibt Unternehmen, bei denen größere Unsicherheit besteht als bei anderen Unternehmen.

Wenn ich einem Einsteiger einen einzigen Ratschlag geben sollte, dann folgenden: Meide, vor allem zu Beginn, die größten Unsicherheiten und konzentriere dich auf Unternehmen und Branchen, bei denen größere Sicherheit darüber besteht, wie die Zukunft aussehen könnte.

Die unstetigste Branche der letzten Jahre war in Deutschland wohl die Energiebranche. Politische Entscheidungen, insbesondere die Förderung der erneuerbaren Energien und der erst verzögerte, dann wieder beschleunigte Atomausstieg, haben die Energieversorger stark getroffen. Und der Energiemarkt wird sich weiter verändern: Konsumenten werden zu Prosumenten, die nicht nur Energie beziehen, sondern Energie selber erzeugen und dann entscheiden, ob sie diese Energie speichern, verbrauchen oder verkaufen wollen. Die möglichen Preisrückgänge in den Speichertechnologien werden diese Veränderungen beschleunigen. Kurzum: Wie die Energiewelt von morgen aussieht und welche Unternehmen diese Veränderungen erfolgreich meistern werden, weiß wohl keiner so genau.

Wenn ich mich innerhalb der Energiebranche nun für ein Unternehmen entscheiden muss, welches Neulinge unbedingt meiden sollten, dann ist meine Wahl E.ON (FRA:EOAN) (ETR:EOAN). Durch die bereits entschiedene Abspaltung der Kraftwerke und des Energiehandels ist bei E.ON die Unsicherheit meiner Meinung nach noch größer als bei anderen Branchenunternehmen. Ob die Abspaltung nun richtig oder falsch ist und ob sich E.ON in einem veränderten Energiemarkt behaupten kann, mag ich nicht zu beurteilen. Aber einem Börsenneuling würde ich unbedingt davon abraten, in ein Unternehmen mit solch unsicheren Zukunftsaussichten zu investieren.

Peter Roegner

Auf den ersten Blick hat Tesla Motors (NASDAQ:TSLA) (FRA:TL0) alles, was ein erfolgreiches Investment braucht. Der Chef und Großaktionär (26,7 %) Elon Musk ist ein erfolgreicher und innovativer Unternehmer, der es als Gründer von PayPal zum Milliardär gebracht hat.

Elektromobilität ist ein Megatrend, den Tesla mit seinen hochwertigen Fahrzeugen bedient. Und die Wagen sind wirklich gut. Ich selbst habe bereits in einem gesessen – das ist schon etwas Besonderes.

Diese guten Aussichten haben die Tesla-Aktie in luftige Höhen getrieben. Ein Aktienkurs von 259,79 USD (22.06.2015) bedeutet eine Marktkapitalisierung von guten 32 Mrd. USD – für ein Unternehmen, dass im Vorjahr 3,2 Mrd. USD umsetzte und dabei fast 300 Mio. USD Verlust machte.

In 2015 ist das Marktumfeld für Tesla schwieriger geworden. Der niedrige Ölpreis macht die Alternative Elektroauto weniger attraktiv; in den USA verkaufen sich derzeit dicke SUV viel besser.

Hinzu kommen die strukturellen Schwächen der Elektroautos: teure Batterien, kurze Reichweiten, lange Ladezeiten. Tesla arbeitet zwar an diesen Dingen, dennoch schreckt der hohe Kaufpreis von 75.000 USD aufwärts viele Interessenten ab.

Mit dem Bau der sogenannten Gigafactory will Tesla die Batterien leistungsstärker und preiswerter machen. Elon Musk ist auf jeden Fall zuzutrauen, dass er das schafft und Tesla zu einer echten Erfolgsstory macht.

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Es werden Rückschläge kommen, etwa wenn Tesla die hohen Erwartungen des Marktes nicht in vollem Umfang erfüllen sollte. Der zukünftige Verlauf der Tesla-Aktie wird von heftigen Kursschwankungen geprägt sein. Für einen unerfahrenen Anleger kann dies sehr nervenaufreibend werden und ihm ein falsches Bild vom Aktienmarkt insgesamt vermitteln.

Bernd Schmid

Rocket Internet (ETR:RKET) (FRA:RKET) hat als Unternehmen einige Qualitäten. Da ist zum einen das enorme Wachstumspotential in den Märkten, in denen sich das Unternehmen etablieren möchte. Außerdem hat das Unternehmen eine starke Marke, wenn es darum geht, kluge Köpfe anzuziehen, die Portfolio-Unternehmen aufstellen und weiterentwickeln. Außerdem ist ein Großteil der Aktien noch im Besitz des Top-Managements, das damit die gleichen Interessen hat wie du als Aktionär.

Trotzdem sollte jemand, der gerade erst damit anfängt, in Aktien zu investieren, die Hände von der Aktie lassen. Dafür sprechen für mich besonders zwei Risiken, denen sich ein Investor zumindest zu Beginn seiner „Karriere“ nicht aussetzen sollte.

1. Es fehlt eine klare Strategie und damit ein Bewertungsmaßstab: Rockets Ziel ist es, die führenden Internetunternehmen in den Ländern außerhalb Chinas und den USA zu bauen. Nicht so klar ist, ob Rocket diese Unternehmen für immer halten möchte oder wann der Zeitpunkt kommt, an dem ein Verkauf angestrebt ist. Damit stehst du als Investor ziemlich im Dunkeln und es fehlt dir ein Maßstab, anhand dessen du die Aktionen des Managements beurteilen kannst.

2. Das Risiko, dein Kapital zu verlieren ist bei Rocket besonders hoch: Rocket ist ein Konglomerat, das aus vielen Dutzend einzelnen Unternehmen besteht — und die Zahl wächst und wächst. Alle Unternehmen haben eins gemeinsam: Sie schreiben Verluste. Rocket kann sich damit nicht alleine über Wasser halten und ist darauf angewiesen, dass sich zum richtigen Zeitpunkt mindestens ein großer Gewinner aus der Traufe erhebt und so viel Cash generiert, dass es damit alle anderen Unternehmen mitfinanzieren kann. Vorher muss immer mehr Kapital nachgeschoben werden — und im Zweifelsfall wird der Hahn zu früh abgedreht.

Miklos Szekely

Es gibt ein paar Gründe, warum die Deutsche Lufthansa AG (ETR:LHA) (FRA:LHA) für Anfänger sogar als Kaufempfehlung erscheinen könnte. Die Firma hat eine bekannte Marke, eine starke Position innenhalb der Branche in Europa und einen scheinbar attraktiven Aktienpreis – das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Unternehmens ist mit 7,3 im Vergleich zum Branchendurschnitt von 14,5 (Quelle: Yahoo) gering; und während der DAX in den letzten zwölf Monaten um 16% gestiegen ist, ist der Preis der Lufthansa-Aktie im selben Zeitraum um 25% gefallen. Weiterhin sollte der sinkende Ölpreis die Profitabilität der Firma verbessern.

Trotzdem gibt es mehrere Gründe dafür, eine Investition in Europas größte Fluggesellschaft zu vermeiden:

  • Branchendynamik — Laut Warren Buffett ist die Luftfahrtindustrie „eine tödliche Falle für Anleger“ und das nicht zu Unrecht. Zwischen 1970 und 2010 enttäuschte die Branche die Anleger mit einem durchschnittlichen Nettogewinn von nur 0,1% der Umsatzerlöse. Die Chancen, eine Fluggesellschaft zu finden, die langfristig erfolgreich ist (wie zum Beispiel Ryanair) sind relativ gering und für Anfänger empfehle ich weniger Riskante Branchen.
  • Starker und steigender Wettbewerb — Lufthansa wird von zwei Seiten unter Druck gesetzt: Auf der Kurzstrecke gewinnen Billigflieger wie Ryanair mehr und mehr Marktanteile und auf der Langstrecke wachsen die drei Golf-Fluggesellschaften Emirates, Etihad und Qatar Airways aggressiv in der Europa-Asien-Region.
  • Hohe Arbeitskosten und inflexible Gewerkschaften — Deutsche Piloten verdienen doppelt so viel wie ihre US-amerikanischen Kollegen. Doch jede sinnvolle Bemühung, diesen Wettbewerbsnachteil zu beseitigen, wird von starken Gewerkschaften abgelehnt. Streiks gehören zum Alltag für Lufthansa und sie haben allein im Jahr 2014 mehr als 230 Millionen EUR gekostet.
  • Externe Faktoren – Wie die unfassbare Tragödie des Germanwings Flugs 9525 zeigt, ist Lufthansa nicht immun gegen externe Risiken, die ernsthafte und unvorhersehbare Störungen im Flugverkehr verursachen können und oft zu erheblichen finanziellen Verlusten führen.

Alles zusammengerechnet: Auch wenn die Aktie möglicherweise ein kurzfristiges Aufwärtspotenzial hat, würde ich sie als ein „kaufen und halten“-Investment vermeiden — und als Anleger-Neuling würde ich wegen der oben genannten relativ hohen Risiken und der Volatilität des Geschäfts bestimmt nicht Lufthansa als meine allererste Investition wählen.