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2 Schwächen im menschlichen Denken, die uns das Coronavirus zeigt

Foto: Getty Images

Sehr viele falsche Investitionsentscheidungen werden nicht aufgrund einer fehlerhaften Einschätzung oder aufgrund mangelnder Informationen getroffen. Nein. Viele Anleger scheitern hingegen am menschlichen Denken. Aber nicht weil sie blöd sind, sondern eher weil sie sich ihrer eigenen Denkfehler (die jeder von uns hat) nicht bewusst sind. 

Deswegen macht es umso mehr Sinn, die typischen Fehler des menschlichen Denkens besser zu verstehen. Die sich wahrscheinlich nicht mehr zu verhindern lassende Pandemie des Coronavirus zeigt zwei dieser Fehler wunderbar: Das menschliche Gehirn ist nicht gemacht für exponentielles und nichtlineares Denken. 

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Diese Dinge besser zu verstehen, würde zum einen uns als Gesellschaft besser tun (zum Beispiel, weil wir dann rechtzeitiger und angemessener auf eine drohende Pandemie reagieren würden). Zum anderen können genau diese zwei Dinge zu einem Vorteil beim Investieren werden, wenn man sie versteht.

1. Exponentielles Denken

Ich schaue eigentlich schon lange überhaupt keine Nachrichten mehr im TV. Gerade ist meine Mutter zu Gast und ich habe das erste Mal seit Jahren das „heute journal“ (oder so etwas) geschaut. Das war am 8. März. Darin wurde erklärt, warum die Grippe viel schlimmer sei als das Coronavirus. Als Grund wurden die jeweiligen bisherigen Todesopfer der beiden Erkrankungen in diesem Jahr genannt, die bei der Grippe deutlich höher sind.

Das fand ich erschreckend. Was die Verantwortlichen für diese These offensichtlich nicht berücksichtigen, ist, dass die Ansteckungsgefahr beim Coronavirus viel größer ist und es sich deswegen so extrem schnell ausbreitet. Das merkt man am Anfang nur nicht. Selbst ein paar Tage nach dem ersten Fall waren es ja immer noch nur eine Handvoll. Und auch Tage später waren es ja nicht einmal 100 Menschen. Wo ist denn die Gefahr?

Das Problem ist, dass Exponentialfunktionen am Anfang immer harmlos aussehen. Bis sie explodieren. 

Laut Tradingeconomics.com verdoppelt sich die Anzahl der Coronafälle in Deutschland alle paar Tage. Zuletzt vom 7. März bis zum 11. März, von ungefähr 800 auf ungefähr 1.600. Sollte diese Verdopplungsrate beibehalten werden, dann hätten wir:

  • Ende März: mehr als 50.000 Fälle
  • Ende April: mehr als 9.000.000 Fälle

Selbst wenn die Mortalitätsrate in Deutschland „nur“ 0,5 % betragen wird, würden von den bis Ende April in Deutschland infizierten Menschen mehr als 46.000 sterben. Also in wenigen Wochen hätten wir knapp 50.000 Infizierte, ein paar Wochen danach könnten wir 50.000 Tote haben. Intuitiv ist das nicht, aber es ist die Realität einer Exponentialfunktion.

Aber bitte nicht in Panik verfallen. Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Spätestens die eine oder andere Verdoppelung später wird dieses Thema ernster genommen und es werden noch strengere Maßnahmen getroffen, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu verringern.

Leider aber wahrscheinlich immer noch zu spät für einige Menschen. Und der Grund ist, dass Menschen nur linear und nicht exponentiell denken können, weswegen das Risiko am Anfang falsch eingeschätzt wird. 

Das ist etwas ganz Typisches auch in der Wirtschaft und beim Investieren. Genau aus demselben Grund ist Kodak von der Bildfläche verschwunden, obwohl das Unternehmen schon vor allen anderen die Technologie für die Digitalkamera hatte.

Aus demselben Grund halten viele Investoren Wachstumsaktien oft für überbewertet. Wie kann man denn auch nur ein KGV im dreistelligen Bereich rechtfertigen? Hier fehlt es oft an der Vorstellungskraft, dass es Unternehmen gibt, die ihre Umsätze über lange Zeit alle paar Jahre verdoppeln können.

Die Lektion für Anleger daraus ist, sich beim Investieren nicht auf die eigene Intuition zu verlassen. Im Gegenteil, oft ist die richtige Entscheidung sogar genau die, die man intuitiv gar nicht treffen möchte.

2. Nichtlineares Denken

Im Moment ist die Mortalitätsrate des Virus in Deutschland noch sehr gering. Das hat zum einen damit zu tun, dass wir erst am Anfang stehen. Es dauert einfach seine Zeit, bis dieses Virus seine Opfer fordert. Andererseits dürfte es auch damit zu tun haben, dass unser Gesundheitssystem mit den noch relativ wenigen Fällen sehr gut umgehen kann.

Das könnte sich auf einen Schlag ändern. 

Laut eurostat gibt es in Deutschland weniger als 700.000 Krankenhausbetten. Die Auslastung dieser Kapazität liegt laut statista bei zwischen Dreiviertel und vier Fünftel. Überschlagen bedeutet das, dass weniger als 150.000 Betten leer sind und theoretisch für Coronapatienten zur Verfügung stünden. 

Ich habe keine Statistik gefunden, die aussagt, wie viel Prozent aller COVID-19-Fälle eine Krankenhausaufnahme zur Folge haben. Bei der Grippe ist die Rate der Krankenhausaufenthalte zehnmal höher als die Mortalitätsrate. Wenn das bei COVID-19 ähnlich ist und die oben erwähnte Verdopplungsrate des Virus nicht deutlich entschleunigt werden kann, dann wären die Krankenhäuser spätestens Mitte April überfordert.

Ich hoffe und schätze, dass dieses Szenario vermieden werden kann. Aber rein hypothetisch bedeutet das, dass die Mortalitätsrate über die Zeit ansteigen kann und irgendwann auch wird. Denn bis zu einem Zeitpunkt wird jeder einzelne behandlungsbedürftige COVID-19-Fall noch in einem Krankenhaus behandelt werden können. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wäre das bei einer sich nicht mehr verlangsamenden Ausbreitung nicht mehr so. Spätestens dann würde die Mortalitätsrate vermutlich in die Höhe schießen.

Nur ein paar frei aus dem Ärmel geschüttelte Zahlen, um das zu veranschaulichen:

  • 100 Fälle => 1 Toter
  • 1.000 Fälle => 10 Tote
  • 10.000 Fälle => 100 Tote
  • 100.000 Fälle => 1.500 Tote
  • 1.000.000 Fälle => 50.000 Tote

So etwas nennt man einen nichtlinearen Verlauf. Und das ist auch etwas, das unser menschliches Gehirn nur wenig intuitiv verarbeitet.

Ein anderes, auch durch das Coronavirus auftretende Beispiel: Lieferketten. Fehlt nur 1 von 1.000 für die Herstellung eines Produkts notwendigen Teile, steht die Produktion still. 0,1 % des Inputs verhindern 100 % des Outputs. Und dieses Output könnte wiederum nur eines von vielen Teilen eines nachfolgenden Produkts sein. So kann sich selbst eine minimale Störung ganz schnell sehr groß auswirken.

Was hat das wieder mit dem Investieren zu tun? Wer sich des Öfteren einmal Prognosen anschaut, zum Beispiel für die Wachstumsraten eines Unternehmens oder der Gesamtwirtschaft, der hat bestimmt schon oft gesehen, dass sich diese verändern. Zum Beispiel von 3 % auf 2,9 %, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt. Dann auf 2,8 % und irgendwann vielleicht auf 2,5 %.

Selten wird eine Prognose drastisch gesenkt, sagen wir von zum Beispiel +1 % auf -1 %. 

Letzteres ist allerdings deutlich näher an der Realität, wie zum Beispiel die jährlichen Wachstumsraten des BIPs von Deutschland zeigen

Quelle: Tradingeconomics.com

Von diesem nicht intuitiv vorhandenen nichtlinearen Denken kann man als Anleger profitieren. Zum Beispiel wenn man eine Situation versucht richtig zu verstehen und zu dem Schluss kommt, dass sie nichtlineare Auswirkungen hat. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Mehrheit nicht damit rechnet. 

Zum Beispiel genau jetzt. Es scheint, als ob die Mehrheit aller Wirtschaftsexperten maximal mit einer kleinen Rezession rechnen, teilweise nicht einmal damit. Vielleicht ist aber eine größere Depression gar nicht mehr so unwahrscheinlich. Nicht dass ich dies wüsste oder einschätzen könnte. Aber selbst wenn es so wäre, glaube ich nicht, dass viele diese Prognose machen würden.

Ein unternehmensspezifisches Beispiel ist, wenn ein Unternehmen verschiedene Geschäftsfelder beackert, ein großes und ein kleines. Das große Geschäftsfeld wächst langsam, während das kleine sehr schnell wächst. Irgendwann wird das kleine Geschäft das große überholen. Zu diesem Zeitpunkt werden sich die Wachstumsraten des Unternehmens als Ganzes maximal beschleunigen.

Ein solches Szenario kann sehr schnell zu einer gravierenden Fehleinschätzung führen. Wenn zum Beispiel die Wachstumsrate des kleinen Geschäfts nicht mehr mit seinen historischen 20 % wächst, sondern sich auf einmal verdoppelt. Die Gesamtwachstumszahlen des Unternehmens würden dann mehr als doppelt so schnell explodieren.

Die folgende Grafik zeigt, was ich meine. Hier zeige ich die Gesamtwachstumsraten über die Zeit zweier Unternehmen, die jeweils zwei Geschäftsbereiche haben. Bei beiden Unternehmen ist der erste Geschäftsbereich 10 mal größer als der zweite. Und bei beiden Unternehmen wächst der große Geschäftsbereich mit 2 % pro Jahr. Der Unterschied bei beiden: Im grauen Fall wächst der kleine Geschäftsbereich doppelt so schnell (mit 40 % anstatt 20 %).

Im orangenen Fall dauert es 14 Jahre, bis die Gesamtwachstumsrate des Unternehmens zweistellig wird. Im grauen Fall passiert das bereits nach 4 Jahren, dreieinhalbmal so schnell.

Wenn man sich so etwas vor Augen führt, ist es sehr gut nachvollziehbar. Sehr intuitiv ist das aber nicht. Dadurch können schnell Fehleinschätzungen zustande kommen oder auch scheinbar unausräumbare Missverständnisse zwischen Bullen und Bären. Das Schöne dabei: Die Fehleinschätzungen und Missverständnisse anderer sind unsere Chancen.

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