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Warum das Kurs-Gewinn-Verhältnis viel weniger aussagt, als du immer dachtest

Gewinnmarge
Foto: Getty Images

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist eine der schnellsten Möglichkeiten, mal eben zu checken, wie teuer eine Aktie ist. Der Gedankengang hinter dieser Kennzahl ist recht einfach: Angenommen, ich würde das Unternehmen komplett übernehmen wollen, und angenommen, der Gewinn wäre immer konstant – wie lange müsste ich warten, bis meine Anfangsinvestition durch die Gewinne wieder ausgeglichen (amortisiert) wäre?

Das Ganze bringt natürlich ein paar Probleme mit sich. Das offensichtliche (und bekannteste) Problem ist, dass potenzielles Gewinnwachstum nicht eingerechnet wird. Dabei verkürzt sich die Amortisationszeit logischerweise, wenn die Unternehmensgewinne stetig steigen, weshalb ein höheres Wachstum tendenziell ein höheres KGV rechtfertigt.

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Doch bei dem einen Makel bleibt es nicht: Denn der Gewinn ist nicht unbedingt die Summe, die du als Eigentümer bedenkenlos aus dem Unternehmen entnehmen kannst. Das Beispiel Netflix (WKN: 552484) zeigt diesen Sachverhalt ganz gut auf: Das Unternehmen macht zwar buchhalterisch gesehen Gewinne, verbrennt aber jede Menge Cash. Jetzt auch noch bares Geld in Form von Dividenden zu entnehmen, wäre nicht unbedingt die klügste Entscheidung.

Was nun?

Zum Glück gibt es ein Modell, das recht einfach ist und diese beiden Punkte recht gut kompensiert. Es heißt Gordon Growth Model, und die Formel sieht wie folgt aus:

Unternehmenswert = DividendeJahr 1 / (Diskontzins – Wachstumsrate)

Sieh mir nach, dass ich hier keine mathematische und betriebswirtschaftliche Herleitung machen werde. Ohne ein paar kleine Anmerkungen kommen wir trotzdem nicht aus: Die Dividende ist im Sinne dieses Modells etwa gleichbedeutend mit dem freien Cashflow: Es ist das Cash, das nach operativen Ausgaben und Investitionen noch für Rückzahlungen von Schulden, Aktienrückkäufe oder Ausschüttungen zur Verfügung steht. Beim Diskontzins können wir die langfristige Rendite des Aktienmarkts ansetzen, für diesen Artikel werde ich 8 % wählen.

Was können wir mit diesem Modell nun anfangen? Wir können den Wert eines Unternehmens recht gut bestimmen – und zwar auf Basis der verfügbaren Cashflows, nicht der Gewinne. Denk an das Netflix-Beispiel!

Und weiter?

Nun wird es interessant: Ein Unternehmen steigert seine Cashflows ja nicht einfach so, sondern es muss investieren – etwa in Fabrikhallen, Produktionsmaschinen und so weiter. Diese sogenannten Erweiterungsinvestitionen werden vom Cashflow abgezogen, sie senken also die Dividende. Aber um wie viel?

Das hängt ganz davon ab, welche Verzinsung des investierten Kapitals (Return On Invested Capital, ROIC) diese Investitionen liefern. Da du keine Einsicht in die Planungsunterlagen des Managements hast, bist du leider gezwungen, dich mit Annäherungen zu begnügen.

Eine brauchbare Annäherung des ROIC für ein Unternehmen erhältst du, indem du den Gewinn nach Steuern durch das Eigenkapital zuzüglich der langfristigen Schulden teilst. Nachfolgende Investitionsprojekte werden meist ROICs in ähnlichen Bereichen aufweisen, wie das Unternehmen sie bisher erzielt hat.

Und nun zurück zum Gordon Growth Model: Ein ROIC von 20 % beispielsweise bedeutet, dass ein Unternehmen für jeden Euro, um den es seine Dividende steigern möchte, 5 Euro investieren muss. Diese Investitionen werden vom Cashflow abgezogen und mindern somit die Dividende. Ich hoffe, du bist noch bei mir, denn wir haben es fast geschafft!

Der Vergleich mit dem KGV

Nun können wir das Ganze in die obige Formel für das Gordon Growth Model gießen und erhalten eine Formel, die wirklich erstaunliche Ergebnisse liefert, wenn man ein bisschen damit herumspielt:

Unternehmenswert = (Cashflow vor Erweiterungsinvestitionen * (1 – Wachstumsrate/ROIC)) / (Diskontzins – Wachstumsrate)

Machen wir nun zwei Beispiele mit den fast identischen Unternehmen X und Y. Beide schreiben gleich hohe Gewinne und erwirtschaften einen Cashflow von 10 Euro, beide wollen jährlich um 4 % wachsen, bei beiden nehme ich einen Diskontzins von 8 %. Nur der ROIC unterscheidet sich: Unternehmen X erzielt hier 10 %, Unternehmen Y 25 %. Schauen wir mal, wie sich das auf den Wert dieser Unternehmen auswirkt:

Unternehmen X Unternehmen Y
Wert = (10 * (1 – 4 %/10 %)) / (8 % – 4 %)

Wert = (10 * (1 – 0,4)) / 4 %

Wert = (10*0,6) / 4 %

Wert = 6 / 0,04

Wert = 150 Euro

Wert = (10 * (1 – 4 %/25 %)) / (8 % – 4 %)

Wert = (10 * (1 – 0,16)) / 4 %

Wert = (10*0,84) / 4 %

Wert = 8,4 / 0,04

Wert = 210 Euro

Nanu? Unternehmen Y ist laut Gordon Growth Model deutlich mehr wert als Unternehmen X – obwohl beide gleich hohe operative Cashflows erwirtschaften und gleich stark wachsen. Warum? Weil Unternehmen Y weniger investieren muss, um das gleiche Wachstum zu erreichen wie Unternehmen X. Die geringeren Investitionen bei Unternehmen Y führen zu höheren Dividenden und damit auch zu einem höheren Unternehmenswert.

Somit hätte Unternehmen Y auch das höhere KGV verdient, wenn die Gewinne, wie angenommen, bei beiden Unternehmen gleich hoch sind.

Foolishes Fazit

Dieser Effekt ist mit ausschlaggebend dafür, dass die KGVs in kapitalintensiven Industrien (wie der Autoindustrie) oft niedriger sind als in anderen Sektoren der Wirtschaft, in denen sich leichter Geld verdienen lässt.

Wenn dir also das nächste Mal jemand erzählen will, Aktie X sei besser als Aktie Y, weil sie das geringere KGV habe … dann glaub ihm kein Wort. Erst wenn du die Wachstumsraten und die ROICs verglichen hast und beide Unternehmen auch hier ähnlich abschneiden, dann ist das KGV ein brauchbares Entscheidungskriterium.

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Christoph Gössel besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Netflix.



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