Mit Wirkung zum 29. Dezember 2022 hat The Motley Fool seine Geschäftsanteile an Fool.de an Aktienwelt360 verkauft. Ab diesem Zeitpunkt trägt Aktienwelt360 die alleinige Verantwortung und Kontrolle für alle neuen Inhalte auf Aktienwelt360.de.

TeamViewer Börsengang: Großartiges, Fragwürdiges, Seltsames

Foto: Getty Images

Sehnsüchtig blickte man in den letzten Monaten nach Amerika. Mit Zoom, Slack und vielen weiteren Unternehmen kamen einige Unternehmens-Software-Anbieter mit rasantem Umsatzwachstum, riesigen Märkten und erstaunlichen Bruttomargen an die Börse. Diese Sehnsucht im deutschsprachigen Raum hat nun ein Ende. Mit dem TeamViewer-Börsengang gibt es ein derartiges Unternehmen bald auch an den deutschen Börsen zu bewundern. Schon bevor die TeamViewer-Aktie aber auf den Kurszetteln auftaucht, bieten die vorliegenden Informationen zum Börsengang sowohl Großartiges als auch Fragwürdiges und Seltsames.

Das Großartige: Das Marktpotential und die Profitabilität

Die TeamViewer-Zahlen sehen wirklich fantastisch aus. Im Jahr 2018 konnte der Umsatz im Jahresvergleich um 86 % auf 258 Mio. Euro gesteigert werden. Dieses atemberaubende Wachstum setzte sich auch in den ersten sechs Monaten des aktuellen Jahres fort, in dem auf Jahressicht ein Umsatzwachstum von 78 % erzielt wurde.

🙌 Was ist dir unsere Arbeit wert?

Wir bei Aktienwelt360 denken, dass gutes Investieren mit guten Informationen beginnt. Das treibt uns an, täglich neue kostenlose Artikel für dich zu veröffentlichen, die tiefer gehen als die Berichte der anderen Aktienportale dort draußen.

Leider hat gute Recherche ihren Preis. Aber wir sträuben uns dagegen, deshalb aus Aktienwelt360 eine Halde für unseriöse Onlinewerbung zu machen. Um weiter unabhängig bleiben zu können, wenden wir uns heute an dich: Sag uns, was dir unsere Artikel wert sind! Über den folgenden Link kannst du kinderleicht einen Beitrag leisten, der uns hilft, dich weiter mit hochwertigen Inhalten zu versorgen.

TRINKGELD GEBEN

Dieses rasante Wachstum wird aber keineswegs durch horrende Wachstumsausgaben aufgefressen, sondern führt bereits heute zu außerordentlichen Gewinnen. Nach Abzug der direkten Produktkosten – technischer Support, zugekaufte Hard- und Software – bleibt in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 eine Bruttogewinnmarge von 87 % übrig. Nach Abzug der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (9 % vom Umsatz), Vertrieb und Marketing (17 % vom Umsatz), Verwaltungskosten (11 % vom Umsatz) und Wertberichtigungen auf Forderungen (4 % vom Umsatz) bleibt eine operative Gewinnmarge ohne die Berücksichtigung periodenfremder Erträge von 45 % – WOW!

Aber nicht nur die historischen Zahlen sind großartig, sondern auch der Ausblick in die Zukunft – zumindest, wenn man den Angaben im Börsenprospekt Glauben schenkt. Die drei Märkte „Connect“ (5,8 Mrd. Euro), „Manage“ (4,3 Mrd. Euro) und „Interact“ von Maschinen, Computern und vielem mehr, sollen heute bereits ein Marktpotential von 10,3 Mrd. Euro bieten. Bis zum Jahr 2023 soll der Markt gar auf 30,2 Mrd. Euro anwachsen.

Die Zahl der verbundenen Geräte wie Computer, Mobiltelefone, Uhren, Heimlautsprecher und Autos sowie die Anzahl der verbundenen Industriemaschinen wächst rasant und über die TeamViewer-Software können diese verbundenen Gerätschaften untereinander interagieren, aus der Ferne überwacht und bedient werden.

Das Fragwürdige: Die Kundenliebe scheint nicht grenzenlos zu sein

Trotz dieser grandiosen Zahlen bin ich noch nicht restlos vom TeamViewer-Zahlenwerk überzeugt. Zwei wichtige Kennzahlen können dem ambitionierten Vergleich mit anderen schnell wachsenden Software-Unternehmen nicht standhalten.

Die Churn-Rate, der prozentuale Anteil verlorener Kunden, soll im Jahr 2018 bei TeamViewer weniger als 10 % betragen haben.

Eigentlich sehr ordentlich. Es gibt aber auch Unternehmen, bei denen dieser Wert zuverlässig unter der Marke von 5 % liegt. Wäre der TeamViewer-Wert annähernd in dieser Größenordnung ausgefallen, so wäre die Formulierung im Börsenprospekt sicherlich optimistischer ausgefallen als „kleiner als 10 %“.

Auch bei der Retention-Rate, das Umsatzwachstum bestehender Kunden, kennen wir noch keine genauen Angaben. Sowohl für 2017 als auch für 2018 wird lediglich ein Wert von über 100 % genannt. Die besten Unternehmen schaffen hier Werte von bis zu 140 %. Wenn dieser Wert bei TeamViewer deutlich über 100 % gewesen wäre, so hätte man auch hier sicherlich eine andere Formulierung gewählt.

Das Unternehmen schafft es heute also nur sehr gemächlich, zusätzliche Angebote bereitzustellen und diese an bestehende Kunden zu verkaufen. So gilt hier Ähnliches wie bei der Churn-Rate: Die Zahlen sind nicht schlecht, aber keineswegs großartig.

Durch das rasante Kundenwachstum fällt das wohl eher maue Umsatzwachstum bei bestehenden Kunden und die nicht wahnsinnig niedrige Zahl an Kundenverlusten derzeit noch nicht allzu stark ins Gewicht. Aber jeder ehemalige Kunde, der mit einem Konkurrenz-Angebot glücklich wird, kommt nicht mehr zurück. Und wenn TeamViewer seine bestehenden Services nicht weiter ausbaut, desto größer ist die Gefahr, als ein eher bedeutungsloses Feature eines umfassenderen Konkurrenz-Angebots zu enden.

Vielleicht gibt es für diese Zahlen aber auch eine andere, für die Zukunft von TeamViewer positivere Erklärung. Früher verkaufte TeamViewer einmalige Lizenzen, heute werden beinahe ausschließlich Abo-Verträge verkauft, die sich nach einem Jahr automatisch verlängern. Sollte diese Modell-Umstellung nur temporär zu vergleichsweise schlechteren Churn- und Retention-Raten führen, so würde das meine Bedenken beiseiteschieben. Bis dahin bleibt dieser Punkt für mich zumindest fragwürdig.

Das Seltsame: Die Vorsicht des Managements

Ganz ehrlich, ich bin kein Experte für Börsengänge – schließlich habe ich noch keinen selbst gemeistert – dennoch kann ich nicht nachvollziehen, warum TeamViewer die Euphorie rund um den Börsengang nicht nutzt, um frisches Kapital einzusammeln. Die TeamViewer-Aktien, die nun bald an der Börse gehandelt werden, gehörten zuvor zu 100 % dem Anteilseigner. Neue Aktien werden zumindest vorerst nicht ausgegeben.

Sicher, die Profitabilität des Unternehmens auch mit Blick auf den freien Cashflow ist in Verbindung mit dem schnellen Wachstum bemerkenswert. Zudem schlummerten auf dem Bankkonto zur Jahresmitte knapp 50 Mio. Euro. Es ist also keineswegs so, dass das Unternehmen zwingend neues Kapital benötigt. Aber, die Verschuldung des Unternehmens ist nicht zu vernachlässigen. Trotz der Umwandlung von einem Darlehen des Gesellschafters in Höhe von 142 Mio. Euro in Eigenkapital, beträgt die Last an lang- und kurzfristigen Schulden noch immer 955 Mio. Euro.

Besonders mit Blick auf die bereits erwähnten riesigen Marktchancen, aber eher mauen Retention- und Kündigungsraten, sollte das Unternehmen künftig alles daransetzen, die unendlich erscheinenden Chancen zu ergreifen und sein Angebot zügig erweitern. Also möglichst aggressiv in Vertrieb, Marketing und Produktentwicklung investieren. In einer derartigen Situation kann man eigentlich nie genug Geld auf der hohen Kante haben. Oder etwa doch?

Auch wenn ich noch einige Fragezeichen sehe, freue ich mich auf den TeamViewer-Börsengang und auf ein frisches, innovatives und schnell wachsendes Software-Unternehmen an den deutschen Wertpapierbörsen.


Der Bärenmarkt-Überlebensguide: Wie du mit einer Marktkorrektur umgehst!

Ein erneutes Aufflammen von Corona in China, Krieg innerhalb Europas und eine schwächelnde Industrie in Deutschland in Zeiten hoher Inflation und steigender Zinsen. Das sind ziemlich viele Risiken, die deinem Depot nicht guttun.

Hier sind vier Schritte, die man unserer Meinung nach immer vor Augen haben sollte, wenn der Aktienmarkt einen Rücksetzer erlebt.

Klick hier, um diesen Bericht jetzt gratis herunterzuladen.



Das könnte dich auch interessieren ...