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Diese unbekannte Bewertungsmethode schlägt alles an der Börse

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Foto: Getty Images

Die Gewinne von Unternehmen werden zu hoch angegeben.

Mit dieser Aussage hat Anfang Juli so etwas wie ein Star der Fintwit-Community (der Twitter- Community rund um die Kapital- und Finanzmärkte) für Aufsehen gesorgt, zumindest bei mir.

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In dem unter seinem Pseudonym Jesse Livermore veröffentlichten Artikel zeigt er, dass es in der Tat so ist. Die Gewinne von Unternehmen sind eigentlich niedriger, als sie in den Bilanzen angegeben werden. Und zwar nicht trotz geltender Buchhaltungsregeln, sondern gerade wegen dieser.

Warum diese Behauptung stimmt

Folgendes Gedankenexperiment: Du kaufst ein Mehrfamilienhaus als Kapitalanlage mit 100.000 Euro Eigenkapital und lässt dieses Haus von einem Manager verwalten. Der Manager berichtet nach einem Jahr einen Gewinn nach allen Kosten von 12.000 Euro. Deine Eigenkapitalrendite beträgt damit 12 %.

Nun sagt der Manager, dass er diesen Gewinn in das Objekt reinvestieren kann, ohne Abstriche bei der Rendite zu machen. Du stimmst zu. Nach einem weiteren Jahr berichtet der Manager tatsächlich wieder, nach Berücksichtigung aller Kosten, eine Rendite von 12 % auf die Gesamtinvestition (also die 100.000 Euro zu Beginn und die 12.000 Euro nach einem Jahr).

Dieses Spiel wiederholt sich nun für 54 Jahre. Welche Gesamtrendite erwartest du nach 54 Jahren? Genau, 12 % pro Jahr. Das entspricht einer Wertsteigerung um das 450-Fache, also einem Gegenwert von 45 Millionen Euro deiner ursprünglich investierten 100.000 Euro.

Nun entscheidest du dich für den Verkauf der Immobilie. Der Manager macht das für dich und überweist den Gesamtertrag auf dein Konto. Jetzt schaust du dir deinen Kontoauszug an und stellst fest… da sind nur 3,2 Millionen Euro angekommen! Was soll das?! Du würdest zurecht ein sehr ernstes Wörtchen mit dem Manager sprechen wollen!

Nun das Interessante: Genau dasselbe passiert am Aktienmarkt!

Glaubst du nicht?

Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der größten US-Unternehmen zwischen dem Jahr 1964 und dem Jahr 2018 betrug 12 %.

Wie hoch war die Rendite, die der S&P 500 Index – der diese Unternehmen beinhaltet – über diesen Zeitraum eingebracht hat?

Es waren jedenfalls keine 12 %. Das sind nicht die langfristigen Renditen, die man am Aktienmarkt historisch generieren konnte

Es waren genau 6,7 %. Das entspricht einer Vervielfachung um den Faktor 32. Aus 100.000 Euro sind 3,2 Millionen Euro geworden. Obwohl die Bilanzen der Unternehmen über diesen Zeitraum eine Eigenkapitalrendite von 12 % aufwiesen!

Was passt da nicht?!

So wurden aus erhofften 45 Millionen Euro nur 3,2 Millionen Euro

Das fehlende Puzzleteil heißt: Inflation. Diese führt dazu, dass die Gewinne in den Unternehmensbilanzen systematisch zu hoch ausgewiesen werden.

Die Eigenkapitalrendite wird berechnet aus dem Verhältnis von Gewinn zum Buchwert des Unternehmens.

Im Buchwert stecken alle historischen Anschaffungen – und zwar zu deren Anschaffungskosten (wir ignorieren der Einfachheit halber Abschreibungen, die nichts an der These ändern). Eine Immobilie, die vor 50 Jahren gekauft wurde, steht heute zu dem damals gezahlten Preis in der Bilanz. Ein Flugzeug, das die Lufthansa vor 15 Jahren gekauft hat, steht zu dem damals bezahlten Preis in den Büchern.

Was, wenn Lufthansa dieses Flugzeug aus Altersgründen ersetzen muss? Zahlt die Lufthansa denselben Preis von vor 15 Jahren? Wohl kaum, die Inflation sorgt dafür, dass es zu diesem Preis sicherlich keine äquivalenten Neuflugzeuge mehr zu kaufen gibt. Das Unternehmen muss mehr investieren, als es in den letzten Jahren abgeschrieben hat.

Im Umkehrschluss heißt das: Es muss seinen Buchwert im Vergleich zu damals erhöhen, nur um den Gewinn aufrecht zu erhalten (der Gewinn kann dadurch nicht erhöht werden, denn man kann nach wie vor nur dieselbe Anzahl an Passagieren transportieren). Dadurch wird die Eigenkapitalrendite des Unternehmens sinken. Und zwar auf einen realistischen Wert.

Diese Erneuerung der Investitionsgüter passiert aber nur alle paar Jahre oder sogar Jahrzehnte. Aus diesem Grund sind die Gewinne, die Unternehmen in ihren Bilanzen berichten, systematisch zu hoch angegeben. Würden alle Unternehmen all ihre Anlagen, Immobilien usw. einmal im Jahr hypothetisch verkaufen und dann wieder einkaufen, dann wären die Buchwerte aller Unternehmen höher – und dadurch die ausgewiesenen Eigenkapitalrenditen niedriger. Sie wären dann viel näher an den historischen Renditen, die die Börse gebracht hat, also viel näher bei 6,7 % als bei 12 %.

Was all das für uns Anleger bedeutet

Die meisten Value- und Quality-Anleger kennen die Lösung intuitiv bereits: Wichtiger als der Gewinn eines Unternehmens ist dessen Freier Cashflow oder Free Cashflow (FCF). Der FCF gibt an, wie viel Kapital am Jahresende dem Unternehmen nach allen Einnahmen und Investitionen zusätzlich zur Verfügung steht.

Livermore zeigt sehr schön in seinem Artikel, dass der FCF geeigneter für die Bewertung eines Unternehmens ist als der Gewinn.

Und dann hat Livermore eine Schlussfolgerung parat, die allen Bullen an der Börse Mut machen dürfte: Die FCFs sind im Verhältnis zu den Gewinnen heute höher als in der Vergangenheit. Anders gesagt: Die heute ausgewiesenen Gewinne sind weniger „zu hoch ausgewiesen“ als noch vor wenigen Jahren und Jahrzehnten.

Das wiederum bedeutet: Die Börsen schauen auf Basis von Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGVs) heute zwar sehr hoch bewertet aus. In Wirklichkeit sind sie es aber viel weniger!

Und Livermore hat auf Basis all seiner Erkenntnisse in seinem Artikel sogar eine Bewertungskennzahl abgeleitet, die die zukünftige Performance der Börse besser vorhersagen kann als alle bisher bekannten Kennzahlen wie das KGV, das Kurs-zu-Buchwert-Verhältnis (KBV), Tobin’s Q-Ratio oder das Shiller KGV.

Diese Bewertungsmethode ist besser als alle bisher populären Methoden

Livermore zeigt in seinem Artikel eine schlüssige Methode, wie man den Buchwert eines Unternehmens um die Inflation bereinigen kann. Er nennt diesen Buchwert den „Integrierten Buchwert“. Er hat dann getestet, welche Aussagekraft es hat, wenn man anstatt des gängigen KBVs das KIBV (das Verhältnis von Kurs zu integriertem Buchwert, er nennt es „Price to Integrated Equity“ oder P/IE) verwendet.

Historisch hat die zukünftige Rendite des Aktienmarktes eine gewisse negative Korrelation zum KBV. Das heißt, war das KBV des Aktienmarktes hoch, waren die zukünftigen Renditen niedrig. Das ist logisch: Je mehr man für eine Investition bezahlt, desto weniger Rendite sollte man erwarten. Die Korrelation war bisher zwar nicht 1:1, aber dennoch aussagekräftig.

Noch aussagekräftiger war übrigens die Korrelation zwischen dem Shiller KGV (das übrigens etwas Ähnliches macht wie Livermore mit seinem integrierten Buchwert, nur dass Shiller die historischen Gewinne um die Inflation bereinigt, anstatt der historischen Buchwerte) und der zukünftigen Rendite des Aktienmarktes.

Nun aber der Clou: In den letzten Jahrzehnten hätte die zukünftige Rendite des Aktienmarktes mit dem KIBV nach Livermore (deutlich) präziser vorhergesagt werden können als mit allen bisher dafür verwendeten Bewertungsmethoden, inklusive dem KBV, Shiller KGV, dem Tobin’s Q und wie sie alle heißen.

Jeder langfristig orientierte Investor, der herausfinden möchte, welche Rendite er in den nächsten, sagen wir, zehn Jahren vom Aktienmarkt erwarten kann, sollte sich daher mit dieser neuen Methode beschäftigen.

Und jetzt die tolle Nachricht für alle Bullen: Sollte sich die Korrelation auch in Zukunft bewahrheiten, dann können wir in den nächsten zehn Jahren eine Rendite von 4 bis 6 % von Aktien erwarten. Das ist zwar weniger als der historische Durchschnitt. Aber wohl mehr, als praktisch alle (zurechnungsfähigen) Anleger heute erwarten würden.


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Offenlegung:Bernd Schmid besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.



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