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Ein Plädoyer für Leerverkäufer

Foto: Getty Images

Wirecard hat es mal wieder erwischt. Erst vor zwei Jahren wurde das Unternehmen Ziel einer Short-Attacke. Ende letzter Woche sind dann zwei Artikel in der Financial Times veröffentlicht worden, in denen ziemlich harte Vorwürfe gegen einen Wirecard-Mitarbeiter in Singapur gerichtet wurden.

Das rief die Vorwürfe der letzten Short-Attacke(n) in Erinnerung: Anleger reagierten panikartig und schickten die Aktie auf Talfahrt. Nach vehementen Dementis vonseiten des Unternehmens erholte sich die Aktie wieder ein wenig.

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Ich persönlich habe keine Meinung dazu, ob etwas an diesen Vorwürfen dran ist. Mich stört jedoch eines an der Berichterstattung über Short Seller bzw. Leerverkäufer im Allgemeinen, auch in diesem Fall. Diese sind in der Regel nämlich zu sehr pro Unternehmen und kontra Leerverkäufer. Man redet davon, dass Letztere den Anlegern der betroffenen Unternehmen einen Schaden zugefügt hätten und bestraft werden müssten.

Ich würde jedoch das Gegenteil behaupten und dafür plädieren, dass sich Anleger, Medien und vor allem Aufsichtsbehörden erst mit den Argumenten der Leerverkäufer beschäftigen, bevor sie diese angreifen oder das Unternehmen verteidigen. Denn andernfalls leistet man den Anlegern und vor allem der Gesellschaft in aller Regel keinen Gefallen. Leider scheint das nicht so oft der Fall zu sein.

Wie gesagt, ich habe keine Meinung zu den Vorwürfen gegen Wirecard. Möglicherweise ist an diesen nichts dran. Dann wäre dies ein schlimmer Fall der Manipulation und gehörte bestraft. Worum es mir geht, ist, dass man Leerverkäufer oft genug zu Unrecht gedanklich bereits verurteilt und bestraft haben möchte, ohne die Faktenlage wirklich verstanden zu haben.

Ernsthafte Drohungen von Unbekannten und vom FBI

Fraser Perring zum Beispiel ist einer der Short Seller, die glauben, dass bei Wirecard etwas nicht stimmt. Ich weiß nicht, ob er aktuell eine Short Position in Wirecard hat, er tut seine Meinung jedoch ganz offen kund über sein Twitter-Konto. Ihm passierte es laut Bloomberg, dass er vor rund zwei Jahren von zwei Männern mit osteuropäischem Akzent bedroht wurde. Sie fingen ihn ab, nachdem er seine zwei Töchter in der Schule abgesetzt hatte, und drohten damit, seiner Familie etwas anzutun, wenn er nicht zugeben würde, dass er umfangreiche Artikel mit Vorwürfen gegen WIrecard geschrieben hätte.

Und wenn das schon heftig klingt, dann klingt es schon unglaublich, was einem Short Seller passiert ist, der die Arbeit von Fraser Perring offensichtlich sehr schätzt ‒ Marc Cohodes. Cohodes ist einer der wahrscheinlich erfolgreichsten Short Seller, der in allererster Linie gegen Unternehmen mit betrügerischen Machenschaften vorgeht. Er hat schon Dutzende teilweise sehr schlimme Fälle praktisch wie ein Detektiv aufgeklärt.

Sein jüngster Kampf (im wahrsten Sinne des Wortes) betrifft ein Unternehmen mit dem Namen MiMedx. MiMedx ist laut eigenen Angaben „ein führendes biopharmazeutisches Unternehmen, das regenerative und therapeutische Biologika entwickelt und vermarktet“. Laut eigenen Angaben wohlgemerkt. Glaubt man Cohodes ‒ der in unglaublich gewissenhafter Weise minutiös recherchiert und auf seiner Webseite öffentlich gemacht hat, was bei MiMedx alles „schiefläuft“ ‒, dann ist ein Großteil (weit mehr als die Hälfte) der Umsätze vorgegaukelt. Und das ist noch einer der geringsten Vorwürfe.

Cohodes selbst sagt, dass MiMedx der schlimmste Fall von Betrug sei, den er in seiner langen Karriere (er begann damit Anfang der achtziger Jahre und hat seither Dutzende Fälle aufgedeckt) überhaupt erlebt habe. Die Machenschaften des Unternehmens gehen laut Cohodes so weit, dass sie das Leben von Patienten ernsthaft gefährden, denen diese Produkte verabreicht werden.

Wenn nun an Cohodes Vorwürfen etwas dran ist (ich selbst würde ihm glauben), dann sollte man ihm für seine Arbeit danken. Im Zweifel rettet er vielen Menschen das Leben damit ‒ und er schiebt einen Riegel vor einen weiteren Betrug, der ohne ihn noch viel länger andauern würde. Es ist jedoch für eine viel zu lange Zeit genau das Gegenteil passiert.

Ende 2017 wurde Cohodes auf seiner Hühnerfarm nämlich von zwei Männern des FBI aufgesucht. Er dachte zuerst, dass endlich jemand seine Recherchen ernst nehmen und den Fall untersuchen würde. Es kam jedoch ganz anders. Diese beiden Männern drohten Cohodes (in Anwesenheit seiner Frau) damit, dass er aufhören solle, seine Vorwürfe gegen den MiMedx-Geschäftsführer Parker Petite zu tweeten. Sie sagten: „Wenn Sie nicht aufhören zu tweeten, und wir kommen zurück, dann gibt es Konsequenzen.“

Noch einmal: „Wenn Sie nicht aufhören zu tweeten, und wir kommen zurück, dann gibt es Konsequenzen.“

Das sind keine Szenen aus einem schlechten Film, sondern aus der Realität eines Leerverkäufers. Noch dazu eines Leerverkäufers, der nach meiner Einschätzung aus absolut ethischen Grundsätzen heraus handelt. Das dürfte auch der Grund sein, warum er trotz dieser Drohung mit seiner Arbeit fortfährt und jetzt wohl kurz vor dem Erfolg steht ‒ sein Ziel ist es, diesem Horror ein Ende zu bereiten und am Ende an der Gefängnisparty von Parker Petite teilzunehmen.

Leerkverkäufer positiver sehen

Das sind nur zwei Fälle von Leerverkäufern, in denen diese durch die sprichwörtliche Hölle gegangen sind, obwohl noch gar nicht klar war, ob sie etwas Amoralisches getan haben. Zumindest im Fall Cohodes sollte mittlerweile klar sein, dass das Gegenteil der Fall ist und er der Gesellschaft sogar einen großen Dienst erwiesen hat! Und trotzdem müssen sich diese Menschen zunächst immer eher dem Hass anderer aussetzen.

Auf der einen Seite ist es ja verständlich, dass man als Aktionär nicht direkt begeistert ist, wenn die eigenen Aktien praktisch vom einen Tag auf den anderen nur noch die Hälfte „wert“ sind. Auf der anderen Seite haben diese Leerverkaufsattacken in der Regel nur Vorteile, auch für die Anleger in den entsprechenden Unternehmen.

Erweisen sich die Anschuldigungen nämlich als wahr, dann wurde etwas aufgedeckt, über das man als Anleger sowieso Bescheid wissen möchte ‒ und zwar besser früher als später, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird.

Erweisen sie sich als falsch, dann ist dem Leerverkäufer selbstverständlich ein Vorwurf zu machen. Und die Angelegenheit gehört untersucht und der Leerverkäufer bestraft. Aber selbst in diesem Fall bekommt man als Anleger ein ganz besonderes Geschenk: einen Discount ohne Grund.

Wenn im Sportladen die Adidas-Schuhe von 169 Euro auf 109 Euro heruntergesetzt sind, dann freut sich der Interessent ja auch sehr. Nichts anderes ist letzte Woche binnen zweier Tage mit der Wirecard-Aktie passiert. Wer an das Unternehmen glaubt und überzeugt ist, dass an den Vorwürfen nichts dran ist, der sollte das Geschenk dankbar annehmen.

Die Frage ist natürlich, inwiefern man als außenstehender Aktionär überhaupt wirklich überzeugt sein kann. Aus diesem Grund kann ich die Unsicherheit verstehen. Das ändert jedoch nichts an den Tatsachen. Und diese werden früher oder später sowieso ans Licht kommen ‒ ob mit oder ohne Leerverkäufer.

Insgesamt bin ich der Meinung, dass Leerverkäufer im Allgemeinen eher etwas Positives für die Gesellschaft und für uns als Anleger sind. Wir sollten ihre Recherchen begrüßen, anstatt die Leerverkäufer zu verteufeln.


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Offenlegung: Bernd besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.



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