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Suze Orman sagt, dass man 5 Mio. Dollar braucht, um vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Hat sie Recht?

Investor denkt nach Aktien
Foto: Getty Images

Die Autorin, Moderatorin und Finanz-Guru Suze Orman hat wieder einmal Wellen in der Finanzwelt geschlagen. Orman erschien auf dem Afford Anything Podcast und behauptete, dass man mindestens 5 Mio. US-Dollar braucht, wenn man finanziell unabhängig sein und frühzeitig in den Ruhestand gehen will.

Es ist nicht das erste Mal, dass Orman anekdotische Beweise verwendet hat, um Strohmann-Argumente zu liefern, die leicht durch gut nachweisbare Fakten widerlegt werden können. Ihre neueste Aussage aber bringt das auf ein völlig neues Niveau.

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Aber statt das Kind mit dem Bade auszuschütten, sollten wir untersuchen, was dahinter steckt. Dort sind nämlich ebenso wertvolle Nuggets zu finden wie ein Haufen Unsinn. Trennen wir also das eine vom anderen.

„Man weiß nie …“

Die übergreifende Prämisse von Ormans Argumentation ist solide: Man weiß nie, was passieren wird. Während des Podcasts sagte Orman: „Der Arbeiter, der im Alter von 30 Jahren gezwungenermaßen in den Ruhestand geht – wenn von 30 bis 70 etwas schiefgeht – ist jetzt in Schwierigkeiten.“

Sie nennt mehrere Beispiele für Dinge, die schiefgehen können: Man wird von einem Bus angefahren, man bekommt Krebs, die KI übernimmt alle unsere Jobs, die Steuersätze nehmen deutlich zu, Sozialversicherung und Krankenversicherung verschwinden.

Auch wenn diese Bedenken neurotisch erscheinen mögen, folgen diese Überlegungen einem entscheidenden Prinzip: der Begrenzung des Worst-Case-Szenarios.

Anfang dieses Jahres hat der Bestsellerautor und Trader Nassim Taleb in einem Interview einen sehr ähnlichen Punkt angesprochen:

„Als Investor musst du alles unter diesem Gesichtspunkt sehen: Kein Investor weiß, was mit ihm oder ihr in Zukunft passieren wird.

Der Markt kann das liefern, was die Leute behaupten, das er liefern wird. Aber, wenn ein Markt so abstürzt, dass du gezwungen bist zu liquidieren – besonders dann, wenn dieser Absturz mit Verlusten in anderen Bereichen korreliert –, dann sind deine Ergebnisse von heute automatisch die, die dieser Absturz verursacht hat. Sie korrelieren dann nicht mit dem Markt.“

Taleb ist heute vielleicht der wichtigste Risikoexperte der Welt. Der Punkt, den er anführt, ist eng verwandt mit dem, den Orman nennt. Er ist es wert, beachtet zu werden: Wenn du vorzeitig in Rente gehen willst, musst du dich vor allen möglichen Risiken schützen.

Schreckliche Mathematik, Selbstverherrlichung und allgemeiner Unsinn

Leider ist zwar die Grundlage von Ormans Warnung solide, aber die Schlussfolgerungen, die sie aus dieser Warnung zieht, belasten ihre Glaubwürdigkeit.

Lass uns hören, wie sie überhaupt zu der Zahl von 5 Mio. US-Dollar gekommen ist:

„Ich habe mich im hohen Alter um meine Mutter gekümmert. Wenn ich das überschlage, waren das 30.000 US-Dollar im Monat … wir sprechen also von vielleicht 300.000 bis 400.000 US-Dollar im Jahr. In Ordnung, sagen wir, ich liege falsch: mag sein, wir sprechen nur von 250.000 US-Dollar pro Jahr. Jetzt hast du auch noch andere Ausgaben – Essen und all sowas –; lass uns einfach sagen, dass du weitere 100.000 US-Dollar pro Jahr brauchst, um zu leben. Also brauchst du 350.000 US-Dollar im Jahr nach Steuern. Das heißt, du brauchst für deinen Ruhestand dann mindestens 5 Mio., 6 Mio. US-Dollar.“

Bei dieser Aufstellung gibt es so viele Probleme, dass ich mich kaum entscheiden kann, wo ich anfangen soll.

In erster Linie muss man Ormans völlige Loslösung von der Realität sehen – verglichen mit der Art und Weise, wie der durchschnittliche Amerikaner das tägliche Leben erlebt. Das sollte nicht allzu überraschend sein; sie erwähnt im Podcast mehrfach, dass sie auf einer eigenen Privatinsel lebt und mit ihrem eigenen Privatflugzeug fliegt.

Lass uns ansehen, was von den Zahlen zu halten ist, die sie nennt:

  • Wenn du wirklich 350.000 US-Dollar pro Jahr benötigst, würde man unter Verwendung der 4-%-Richtlinie, die sie zitiert, 8,75 Mio. US-Dollar benötigen, um vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.
  • Auch wenn ich sicher bin, dass Orman – wie es jeder von uns tun würde – sich das beste Pflegeheim für ihre Mutter gesichert hat, das sie für ihr Geld bekommen konnte, ist der Preis, den sie angibt, nicht typisch. Laut SeniorLiving.org liegt der landesweite Durchschnitt für ein halb privates Pflegeheimzimmer bei 82.128 US-Dollar im Jahr – fast 70 % unter Ormans niedrigerem Wert. In einigen Staaten liegt der Durchschnitt sogar unter 55.000 US-Dollar im Jahr.
  • Der typisch amerikanische Haushalt im Ruhestand (65 oder älter) gab 2017 knapp 50.000 US-Dollar aus. Der Durchschnitt dürfte, wenn man die reichsten 1 % herausrechnet, wahrscheinlich noch weitaus niedriger liegen. Die realistische Zahl liegt also bei weniger als die Hälfte aus Ormans Beispiel.

Für die meisten von uns ist die von Orman genannte Summe von 350.000 US-Dollar massiv übertrieben. Für einen durchschnittlichen Amerikaner scheinen 50.000 US-Dollar pro Jahr angemessen. Unter Verwendung der 4-%-Regel – und ohne Einbeziehung von Sozialversicherung, Medicare oder Renten – macht das einen persönlichen Rentenfonds von 1,25 Mio. US-Dollar nötig – also 75 % weniger als Ormans Zahl.

Jetzt könnte man natürlich sagen: „Aber der durchschnittliche pensionierte Amerikaner lebt arm und elend.“ Aber wenn wir diese Dinge messen, sehen wir tatsächlich genau das Gegenteil: Rentner sind in Amerika die glücklichste, am wenigsten gestresste Altersgruppe, auch wenn sie – im Durchschnitt – mit jährlichen Ausgaben von weniger als 50.000 US-Dollar auskommen.

Aber Ormans Mathematik hört damit nicht auf. Die Langzeitpflegeversicherung – die für ein Paar zwischen 3.000 und 5.000 US-Dollar jährlich kosten kann – deckt in der Regel die ersten 150 US-Dollar pro Tag in einem Pflegeheim für drei bis vier Jahre. Unter Verwendung der oben genannten Zahlen bedeutet das, dass du etwa 27.000 US-Dollar pro Jahr für die Pflege zu Hause zahlst, plus die 5.000 US-Dollar pro Jahr an Prämien – das sind 32.000 US-Dollar pro Jahr – und Orman behauptet, dass du dich darauf einstellen solltest, das in einem Monat zu zahlen!

Deshalb nenne ich das ein Scheinargument. Die Tatsache, dass Frühpensionäre ihre Risiken absichern müssen, ist offensichtlich. Gesundheit, Langzeitpflege, Leben, Hausratversicherung – all diese Dinge sind wichtig, um eine angemessene Frührente zu gewährleisten. Aber zu behaupten, es gäbe keine erschwinglichen und vernünftigen Möglichkeiten, diese Risiken zu mindern, ist einfach Unsinn.

Das Gesamtbild ist das, was wirklich fehlt

Wonach man suchen sollte, sind Ormans Annahmen. Ihre Annahmen lassen es so aussehen, als ob sie einen einzigen Blogbeitrag über das Thema gelesen und wilde – sowie höchst ungenaue – Schlussfolgerungen darüber gezogen hätte, was es damit auf sich hat.

Zwischendurch sagte sie im Laufe des Gesprächs auch, dass ein vorzeitiger Ruhestand eine schlechte Idee sei, weil (1) man während seiner Ruhestandszeit kein Geld mehr verdient und (2) man sich endlos langweilt, wenn man den ganzen Tag herumsitzt.

Ich habe darüber gelesen und mich fast ein Jahrzehnt darauf vorbereitet. Aber bei finanzieller Unabhängigkeit geht es nicht darum, den ganzen Tag nur rumzusitzen.

Stattdessen geht es darum, deine Grundbedürfnisse zu erfüllen und dann die Zeit freizusetzen. Mit dieser Zeit kannst du dich auf die einzigen drei Dinge konzentrieren, die wirklich wichtig sind, um ein erfülltes Leben zu schaffen:

  • Verbindungen zu Familie und Freunden,
  • Sinn und Zweck, sowie Bedeutung,
  • Fortschritte bei dem, woran du gerade arbeitest.

Das ist der Zielpunkt, nach dem du streben solltest. Es ist nicht die Hoffnung, ein Multimillionär zu werden, eine Privatinsel zu besitzen oder in einem Privatjet herumzufliegen. Manchmal wirst du dafür bezahlt, diesem Ziel zu folgen, manchmal auch nicht. Der Punkt ist, dass es dir auch ohne Privatjet ziemlich gut gehen wird.

Es wäre klug, Ormans Ratschläge zum Schutz unserer Risiken zu befolgen. Aber es wäre ebenso klug, uns zu fragen, wo unser Niveau an „genug“ wirklich liegt, und zu erkennen, dass alle Ausgaben, die darüber hinausgehen, uns keine höhere Rendite in Bezug auf unser Glück liefern.

Es könnten 5 Mio. US-Dollar nötig sein, damit du vorzeitig in Rente gehen kannst, aber 99 % der Erdbewohner wären mit weit weniger zufrieden.

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Dieser Artikel wurde von Brian Stoffel auf Englisch verfasst und am 14.10.2018 auf Fool.com veröffentlicht. Er wurde übersetzt, damit unsere deutschen Leser an der Diskussion teilnehmen können.



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