Knorr-Bremse IPO: Will Thiele zu viel?
Knorr-Bremse (WKN:KBX100) zieht den lange angekündigten Börsengang jetzt endlich durch. Anleger bekommen so die Gelegenheit, sich an einem führenden Ausrüster von Zügen und Lkws zu beteiligen – aber sollte man die Knorr-Bremse-Aktie auch zeichnen? Nach Durchsicht des Börsenprospekts denke ich, dass es ratsam sein könnte, auf günstigere Kurse zu warten.
Knorr-Bremse hat sich vor dem Börsengang herausgeputzt
Heinz Hermann Thiele, das ist eine der ganz großen Unternehmerpersönlichkeiten in Deutschland. Über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten schuf er aus einem angeschlagenen Traditionsunternehmen einen hoch profitablen Weltmarktführer für Druckluftbremsen.
Allein über die letzten drei Jahre wurden acht Unternehmen übernommen, zuletzt der Spezialist für Elektriksysteme Vossloh Kiepe (auch bei Vossloh (WKN:766710) ist Thiele übrigens Hauptaktionär). Kein Wunder also, dass die Umsätze zuletzt stark gestiegen sind. 2016 hatte man es allerdings übertrieben, als eine kartellrechtlich sehr bedenkliche Transaktion mit der schwedischen Haldex (WKN:891112) angestrebt wurde. Geblieben ist davon lediglich eine strategische Minderheitsbeteiligung.
Weil im Anschluss offenbar ein Berg von Geld in der Kasse übrig geblieben war, entschied man sich kurzerhand für eine extragroße Dividende in Höhe von insgesamt 850 Mio. Euro, die in der ersten Jahreshälfte an die Eigentümerfamilie geflossen ist. Hinzu kommt der gesamte Erlös aus dem jetzt anstehenden Verkauf von Anteilen, denn das Unternehmen hat keinen Kapitalbedarf.
Familie Thiele ist also gut versorgt, das ist schon mal sicher. Aber was bringt die Zukunft für die neuen Aktionäre?
Wie das Unternehmen wachsen will
Knorr-Bremse möchte von Megatrends wie der Urbanisierung, der Ökoeffizienz, der Digitalisierung und der Automatisierung profitieren. Aktuell wird daher hart daran gearbeitet, die Produktpalette mit Sensorik und Funkmodulen auszustatten, um beispielsweise die Liveüberwachung des Zustands und eine vorausschauende Wartung zu ermöglichen.
In der Forschung fließen mittlerweile zwei von drei Euro in Projekte mit Elektro- und Digitalbezug, wovon die Segmente für Schienenverkehr und Nutzfahrzeuge gleichermaßen profitieren. Das Management gibt sich überzeugt, dass die Wertschöpfung je Einheit durch die stärker integrierten und smarteren Systeme erheblich steigen wird. Bei den Lkw-Technologien erhofft man sich daneben viel von der Weiterentwicklung von Assistenzsystemen bis hin zum hoch automatisierten Fahren. In diesem Bereich wird mit Continental (WKN:543900) kooperiert.
Das alles sieht schon recht ambitioniert aus. Knorr-Bremse agiert als Marktführer aus einer Position der Stärke heraus und kann so selbstbewusst neue Wachstumsthemen angehen. In diesem Geschäft, wo Zuverlässigkeit überragende Bedeutung hat, stehen die Chancen gut, dass die Strategie aufgeht. Ein mittleres Wachstum im Bereich von jährlich 10 % traue ich dem Unternehmen auf absehbare Zeit durchaus zu.
Was man von der Knorr-Bremse-Aktie erwarten kann
Wichtig für Aktionäre ist aber natürlich primär, was unterm Strich herauskommt. Dafür wurde Ende 2015 das Fitnessprogramm „KB2020 Bottom Line“ ins Leben gerufen. Das war wohl auch nötig: Die Profitabilität hat über die letzten Jahre gelitten, konnte aber wohl stabilisiert werden, soweit ich aus den Halbjahreszahlen erkennen kann.
Nun soll Knorr-Bremse allerdings mit stolzen 11,6 bis 14,0 Mrd. Euro bewertet werden. Das ist nicht völlig aus der Welt, aber für ein Unternehmen, das in diesem Jahr vielleicht Gewinne in Höhe von 600 Mio. Euro schreibt, ganz schön hochgegriffen für meinen Geschmack – gerade auch, wenn man das recht geringe Eigenkapital von 1,2 Mrd. Euro berücksichtigt.
Schließlich werden viele gute Automobilzulieferer derzeit mit einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnissen bewertet, und das mit wesentlich mehr Substanz in der Bilanz. Knorr-Bremse ist durch das recht gut diversifizierte Produktportfolio und das bedeutende Ersatzteil- und Servicegeschäft zwar recht robust aufgestellt, aber ein Konjunktureinbruch würde wohl auch dort auf die Profite schlagen.
Damit sich eine Investition in die Knorr-Bremse-Aktie am oberen Ende langfristig auszahlt, muss der Konzern meiner Einschätzung nach im langfristigen Schnitt noch um einiges schneller als die oben angenommenen 10 % wachsen und gleichzeitig möglichst die Margen noch ein bisschen nach oben schrauben. Das ist vielleicht nicht unmöglich, aber für mich eher das Best-Case-Szenario.
Fazit: Mit Knorr-Bremse bekommen Anleger eine Aktie, mit der man auf lange Sicht aufgrund der bärenstarken Marktposition und soliden Profitabilität voraussichtlich keine Verluste macht. Aber für überdurchschnittliche Renditen müsste es schon außerordentlich gut laufen, selbst wenn man am unteren Ende der Preisspanne den Zuschlag bekommt. Die Chancen stehen meiner Meinung nach gut, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt noch günstiger einsteigen können.
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Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.