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Darum ist die Target2-Panikmache ziemlich daneben

Foto: Getty Images

„Target2-Salden explodieren auf Allzeithoch!“, „Euro-Tod 2018!“, „46 Prozent des deutschen Auslandsvermögens sind verloren!“ — so dramatisch klingen in diesen Tagen die Überschriften. Auch wenn es im Text teilweise etwas differenzierter zugeht, wird hier ganz schön Unsicherheit geschürt. Zu unrecht, wie ich finde. Gedanken sollten sich deutsche Sparer eher über einen anderen Punkten machen.

Der Hintergrund

Mittlerweile nähert sich das Target2-Saldo Deutschlands der Marke von 1.000 Milliarden Euro, während Italien, Spanien und Portugal zusammen es auf eine ähnlich hohe Summe im negativen Bereich bringen. Das wirkt auf den ersten Blick sicherlich beunruhigend und lässt sich herrlich von Eurokritikern ausschlachten.

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Leider ist es so, dass Dinge rund um die Geldschöpfung so komplex sind (Bitcoin und Vollgeld lassen grüßen), dass selbst Experten ins Schwimmen kommen und sich regelmäßig gegenseitig widersprechen. Hans-Werner Sinn — der gerade mal wieder auf sich aufmerksam macht mit der These, dass Italien mit erhöhter Wahrscheinlichkeit aus dem Euro austreten wird — hatte die Diskussion um die Target2-Salden vor einiger Zeit losgetreten. Seither kocht das Thema immer wieder hoch.

Der Fokus auf Target2 verfehlt das Ziel

Es wird häufig so dargestellt, als ob etwa der Staat Italien sich auf Kosten des Staates Deutschlands rücksichtslos über diesen Mechanismus des Eurosystems finanzieren würde, nach dem Motto „wir sparen fleißig und die verprassen das Geld“.

Dabei nehmen am Target2-System weit über Tausend einzelne Finanzinstitute teil. Sollte der Staat Italien in Zahlungsschwierigkeiten geraten, dann sind es immer noch die vielen einzelnen Banken, die für die eingegangenen Verbindlichkeiten geradestehen. Es müsste schon sehr viel zusammenkommen, damit ein signifikanter Teil des Target2-Saldos verloren geht.

Zunächst müsste der Anteil der maroden Schuldner bei vielen Banken so stark ansteigen, dass sie Probleme bekommen. Dann müssten die nationalen Haftungssysteme versagen, etwa weil das Volumen der Insolvenzen die vorhandenen Mittel übersteigt. Als Nächstes müsste die Insolvenzmasse so gering sein, dass die vorrangigen Target2-Defizite nicht gedeckt werden können. Zudem müssten die jeweiligen Staaten von eigenen Rettungsaktionen absehen. Erst dann träffe der massenhafte Schuldnerausfall die zahlreichen Gläubiger mit voller Wucht.

Mit einzelnen milliardenschweren Pleiten muss man natürlich immer rechnen, im Aus- wie im Inland (Stichwort „Schiffscontainer“). Aber müssten nicht Ätna und Vesuv gemeinsam ausbrechen und ganz Italien in Schutt und Asche legen, damit die ganze Kette in der Breite ihren Lauf nähme? Dabei ist das nicht einmal der einzige Grund, warum Panik fehl am Platz ist.

Weitere Punkte, die wenig Beachtung finden

Grundsätzlich muss man doch davon ausgehen, dass Banken in anderen Ländern nicht wesentlich anders arbeiten als in Deutschland. Sie prüfen die Finanzierungsvorhaben, setzen Zinssatz, Sicherheiten und Laufzeit fest und leihen ihren Kunden dann das benötigte Geld. In der Regel gelingt es ihnen, durch die Zinsdifferenz Gewinne zu erwirtschaften.

Gerade in Spanien läuft das ja offenbar auch wesentlich besser als in Deutschland. Während unsere Großbanken Mühe haben, überhaupt Gewinne auszuweisen, sind BBVA (WKN:875773), Santander (WKN:858872) und Co. schon längst wieder hoch profitabel. Auch die italienischen Intesa Sanpaolo (WKN:850605) und Unicredit (WKN:A1JRZM) haben sich aus ihrer Krise herausgearbeitet und werden höher bewertet als ihre deutschen Pendants.

Zudem glaube ich, dass Ursache und Wirkung verdreht werden. Die oft wiederholte Lesart ist doch, dass die Defizitländer Target2 dazu nutzen, sich Liquidität zu besorgen. Es könnte allerdings auch andersherum sein: Die Überschussländer nutzen Target2, um ihre Überschussliquidität woanders unterzubringen.

Irgendwo müssen die Geldmassen ja hin, die Deutschland durch seine florierenden Exporte zufließen. Jeder Einzelne, egal ob vermögende Privatperson, Unternehmen, Kommune oder Finanzinstitut, kann frei entscheiden, was er mit dem Geld macht. Er muss es nicht seiner Bank überlassen und die Bank muss es nicht im Target2-System belassen.

Wenn du ein Ferienhaus in der Toskana kaufst, dann sinkt das deutsche Saldo. Wenn Unternehmen oder Kommunen zu Hause investieren und dafür ausländisches Equipment importieren, auch. Eine deutsche Bank kann dem italienischen Partnerinstitut ihres Vertrauens direkt flüssige Mittel zur Verfügung stellen.

Letzteres lohnt sich aber bei den derzeit niedrigen Zinsen kaum. Auch deshalb funktioniert der Interbankenmarkt nicht mehr so wie früher.

Wie es für mich aussieht, ist Target2 so bequem, schnell und effizient, dass Banken es einfach gerne nutzen. Im Ausland angelegte Überschüsse gab es schon immer, das ist ein Grundprinzip von Kapitalismus und Freihandel. Früher waren diese allerdings tief in den Bilanzen einzelner Finanzinstitute verborgen, während heute Teile davon für jedermann sichtbar in Form von Target2-Salden auftauchen.

Aufschlussreich finde ich auch die Tatsache, dass Österreich ebenfalls ein recht hohes Target2-Defizit hat, obwohl doch die Wirtschaft des Alpenlands eher noch besser läuft als die deutsche.

Das Problem liegt woanders

Jedenfalls steht auch die deutsche Wirtschaft unter Volldampf und qualifizierte Arbeitskräfte werden knapp. Kein Wunder, dass sich Unternehmen und die öffentliche Hand mit Investitionen im Heimatmarkt zurückhalten. Es liegt auf der Hand, dass das Geld in Ländern mit über 10 % Arbeitslosigkeit besser eingesetzt werden kann. Also fließt es dorthin. Das ist aus meiner Sicht kein großes Ding.

Ein großes Ding ist eher, wie die Deutschen ihr Vermögen anlegen. Während beispielsweise die Amerikaner wesentlich stärker in Aktien investierten und daher ein guter Teil der hiesigen Dividendenausschüttungen über den Atlantik wandert (und die dortigen Defizite auszugleichen hilft), bleibt der Aktienanteil hierzulande erschreckend gering.

Ich vermute sehr stark, dass uns Deutsche deswegen viel mehr Milliarden durch die Lappen gehen als durch etwaige Schuldnerausfälle aus der europäischen Peripherie.

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Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.



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