Was ich als Investor bei Biotech und Pharma wissen muss: Was sind Klinische Studien und wie bewerte ich sie?
Unerfahrene Investoren lassen allzu oft die Finger von Biotech-Aktien, obwohl die Gewinnmöglichkeiten gerade hier exorbitant sind. Oft wird von Klinischen Phasen I, II oder III gesprochen, und man sollte verstehen, worum es dabei geht und wie man kritisch mit Ergebnissen umgeht, um die Aussichten von Biotech-Unternehmen bewerten zu können.
Bevor es richtig los geht
Vor den eigentlichen Klinischen Phasen muss sich ein Wirkstoff erst in präklinischen Tests beweisen. So werden Experimente mit humanen Zellkulturen und später dann auch in Tiermodellen durchgeführt. Meist sind mindestens zwei Studien in Tiermodellen notwendig: eine erste in kleinen Tieren mit kurzer Lebenszeit wie Mäuse, Ratten oder Kaninchen und eine zweite in größeren Säugern wie in Schafen, Hunden oder Primaten.
Hat der Wirkstoff in Modellen die postulierte Wirkung gezeigt, muss in der folgenden Entwicklung bestätigt werden, dass das Medikament wirksam gegen eine bestimmte Krankheit ist und zudem die Nebenwirkungen in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehen.
In jeder Phase der klinischen Studien werden dazu unterschiedliche Aspekte des Medikaments bzw. der Therapie untersucht. Es ist dann die Rede vom Erreichen des Primären Endpunkts, der das Hauptziel der Studien darstellt. Sekundäre Endpunkte sind zusätzliche Faktoren zur Wirksamkeit eines Medikamentes und stark abhängig von der Krankheit selbst.
Oft sind hier Sicherheit und Verträglichkeit entsprechende Parameter. Wenn ein Medikament erste Ziele erreicht, wird es in den Klinischen Phasen sukzessive in mehr und mehr Patienten getestet. Sicherheit bei der Medikamentenentwicklung wird groß geschrieben, denn Fälle wie der Contergan-Skandal aus 1961 müssen vermieden werden.
Die Entwicklung vom Labor zur Zulassung ist deshalb mit durchschnittlich zehn Jahren sehr lang und teuer, weshalb für Biotechs eine solide Finanzierung von meist mehreren hundert Millionen Euro unerlässlich ist.
Phase I: Prüfung von Sicherheit und Dosierung
In der Klinischen Phase I wird ein Medikament erstmalig an Menschen getestet. Oft sind dies gesunde Probanden oder abhängig von zu erwartenden Nebenwirkungen auch Patienten, die an einer entsprechenden Krankheit leiden. Das primäre Ziel ist hier herauszufinden, welche Dosis effektiv und gleichzeitig sicher für kommende Studien sein wird.
Wichtig ist hier auch die Pharmakokinetik, in der man untersucht, wie das Medikament mit anderen Systemen im Körper interagiert. Es werden also die Aufnahme in den Körper, die Verteilung, der biochemische Um- und Abbau sowie die Ausscheidung untersucht. Manchmal sind Abbauprodukte toxisch und schädigen dann insbesondere die Leber.
Angefangen wird mit kleinen Gruppen, die zunächst eine niedrige Dosis bekommen, die dann sukzessive gesteigert wird. Meist werden 15 bis 30 Probanden getestet und alle Nebenwirkungen minuziös registriert. Etwa 30 % aller Medikamente scheitern schon in Phase I.
Phase II: mehr Patienten und exakte Dosierung
In Phase II wird die Anzahl der Patienten auf ca. 300 erhöht und in Abhängigkeit der Erkrankung manchmal über mehrere Jahre durchgeführt. Wenn es sich jedoch um eine sehr seltene Krankheit handelt, ist es oft auch schwer, entsprechend viele Patienten für die Phase II-Studie zu finden. Dann nehmen manchmal auch nur 10 Patienten teil.
Am Anfang dieser Phase wird die Wirksamkeit des Medikaments statistisch ermittelt, während man weiter aufkommende Nebenwirkungen registriert. Als Vergleich gibt man der Hälfte der Teilnehmer ein Placebo oder eine Standardtherapie, um damit zu beweisen, dass das neue Medikament die derzeit beste Wirksamkeit hat. Etwa 70 % aller Wirkstoffe fallen hier durch.
Der Goldstandard zum Nachweis der Effektivität eines Wirkstoffes ist die Überlebensrate. Dabei wird schlicht gemessen, wie lange ein Patient nach Diagnose und Start der Therapie überlebt. Ist das Überleben länger als mit anderen Therapien, ist eine spätere Zulassung wahrscheinlicher.
Der zweitbeste Endpunkt ist das Aufhalten des Fortschreitens der Krankheit, d. h. die Zeit, die ein Patient ohne weitere Verschlechterung während sowie nach der Therapie lebt. Die Lebensqualität wird oft auch als Indikator hinzugenommen, d. h. wie fühlt sich der Patient und kann er normal am täglichen Leben teilnehmen?
Ganz wichtig zu dieser aufgrund der geringen Probandenzahl noch wackeligen Statistik ist der p-Wert. Dieser ist eine Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 1. Um ein statistisch signifikantes Ergebnis zu erlangen, ist ein p-Wert
Aufgrund der geringen Stichprobengröße in Klinischen Phasen II können die Phase III-Ergebnisse daher abweichen und nicht mehr signifikant sein, so dass das Medikament nicht zugelassen wird. Deshalb sollten p-Werte in Phase II deutlich unter 0,05 liegen, d. h. z. B. bei 0,005 oder weniger, um Überraschungen in Phase III zu minimieren. Sonst lieber Finger weg.
Phase III: Statistik zu Wirksamkeit und Sicherheit
Die Phase III ist extrem teuer, da hier oft mehr als 1.000 Patienten über einen Zeitraum von ein bis vier Jahren getestet werden. Hier wird nun statistisch ermittelt, wie effektiv der Wirkstoff gegen die Krankheit wirkt und ob der Wirkstoff besser als bisherige Therapien ist.
Zudem werden hier mehr Nebenwirkungen aufgrund der längeren Anwendung und höheren Patientenzahl sichtbar, so dass bisher übersehene Probleme plötzlich sichtbar werden. Aufgrund der genaueren Ergebnisse floppen auch hier ca. 35 % der Medikamente in dieser Phase.
Phase IV: was ist das?
Diese Phase ist eher unbekannt und beschreibt die Überwachung von Patienten nach Marktzulassung, um mehr über die Wirksamkeit und Nebenwirkungen des Medikaments zu erfahren. Da jetzt meist tausende von Patienten das Medikament erhalten, werden mehr mögliche Nebenwirkungen sichtbar.
Fazit
Mit diesem Wissen im Hinterkopf kann man sich durchaus mit Biotech-Aktien beschäftigen. Dank der enormen Gewinnmöglichkeiten lohnt sich dies allemal, doch sollte man natürlich auch die Risiken im Auge behalten.
Dass unser System der Klinischen Phasen nicht optimal ist, wurde unter anderem vom King’s College und der London School of Economics belegt: 57 % aller Krebsmedikamente verlängern weder das Leben noch verbessern sie die Lebensqualität. Nur 35 % der Krebsmedikamente zeigen eine gravierende Verbesserung.
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