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Energie-Experten: Offshore-Wind hat ein Kostenproblem – wirklich?

Neue Siemens Offshore-Turbine 2016 Siemens Energy
Bildquelle: www.siemens.com/presse

Eine aktuelle Streitschrift eines Think Tanks versucht der Euphorie rund um die stark gesunkenen Gebote für kommende Offshore-Windparks gehörig den Wind aus den Segeln zu nehmen. In Wirklichkeit sei alles nur eine große Spekulation und die Interpretation der meisten anderen Kommentatoren sei völlig falsch. Lies hier, was die Argumente sind und warum ich glaube, dass die Autoren zwar zurecht den Finger in die Wunde legen, aber auch ein bisschen über die Stränge schlagen.

Der Anlass: „Offshore-Wind schlägt Atomstrom“

So, oder so ähnlich lauteten viele Schlagzeilen in der Fach- und Wirtschaftspresse der letzten Wochen und Monate, nachdem bei Ausschreibungen in der Nordsee fantastisch niedrige Gebote den Zuschlag bekamen. Ein neues Paradigma sei angebrochen, war der Tenor vieler Kommentare.

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Auch die Stiftung Offshore-Windenergie, eine Einrichtung der beteiligten Wirtschaft auf Initiative der Regierung und Küstenländer, preist jetzt stolz den „drastischen Kostenrückgang“ an und spricht auf Basis der britischen Auktionsergebnisse von einer Halbierung bis 2022/23.

Der „Global Warming Policy Foundation“, welche zu Themen wie Klimapolitik und Energiewende regelmäßig Stellung nimmt, war das zu viel, weshalb sie eine ziemlich gehässig formulierte elfseitige und mit vielen Fakten unterlegte Publikation verfasste. Naiv und unkritisch seien die Journalisten und Staatsdiener gleichermaßen. Augenscheinlich positive Nachrichten rund um erneuerbare Energien würden überhaupt nicht mehr hinterfragt.

Die Argumente: „Mehr Schein als Sein“

Zunächst weisen die Autoren darauf hin, dass sie die über 500-seitigen Vertragsunterlagen der englischen Ausschreibungen ausgewertet hätten und dabei zu dem Schluss gekommen sind, dass es für die erfolgreichen Konsortien problemlos möglich sei, einfach auszusteigen, falls ihnen die Marktbedingungen doch nicht zusagen, wenn der Zeitpunkt der Umsetzungsfrist sich nähert.

Das heißt, wenn es der Windturbinen-Industrie nicht gelingt, die Kosten so stark zu senken, dass ein ausreichend profitables Projekt daraus wird, dann haben Innogy (WKN:A2AADD), Dong Energy (WKN:A0NBLH) und Co. die Option, zu geringen Kosten einfach darauf zu verzichten. Sollten hingegen überraschenderweise die allgemeinen Energiepreise stark steigen, dann könnten sie alternativ auch zu Spotmarktpreisen vermarkten — das wirkt wie ein komfortabler Deal für die Konsortien. Aus Sicht der Stromkunden klingt es hingegen weniger toll. Wenn es dumm läuft, werden die ganzen schönen Windparks nämlich gar nicht realisiert.

Der Hoffnung, dass die Industrie eine signifikante Verbesserung der Kosten pro Megawatt installierter Leistung hinbekommt, halten die Autoren entgegen, dass diese laut ihren Daten sogar eher noch steigen, weil neue Parks tendenziell in tieferem Gewässer gebaut werden und das der größte Kostentreiber sei. Der Trend hin zu größeren Turbinen brächte auf der anderen Seite laut ihrem Datenmaterial nur vergleichsweise wenig.

Deshalb drängt sich die Frage auf, aus welchem Motiv heraus die Konsortien so tief geboten haben. Die Autoren sehen drei mögliche Erklärungen: Entweder sie und ihre Kapitalgeber geben sich plötzlich mit einer unverhältnismäßig niedrigen Gesamtrendite von unter 2 % zufrieden oder sie vertrauen darauf, dass die Projektkosten nach 2020 um über 40 % tiefer liegen oder aber sie wollten sich einfach die Projektrechte rücksichtslos unter den Nagel reißen, um dann in einigen Jahren zu entscheiden, welches die lukrativste Alternative ist.

Die Streitschrift lässt keinen Zweifel daran, dass die Verfasser davon ausgehen, dass die Konsortien zocken und damit die Projektrealisierung aufs Spiel setzen, selbst wenn daraus der gesamten Branche ein Glaubwürdigkeitsproblem entstehen könnte.

Was ich daraus mache: „Die Kirche im Dorf lassen“

Zum Teil gehöre auch ich zum von den Autoren angegriffenen Personenkreis. Immer wieder habe ich darauf hingewiesen, dass die Aussichten für Turbinenbauer mit Offshore-Erfahrung wie Siemens Gamesa (WKN:A0B5Z8), Vestas (WKN:913769) oder Senvion (WKN:A2AFKW) besser seien, als für reine Onshore-Produzenten wie Nordex (WKN:A0D655) oder Enercon.

Allerdings habe ich mich dabei nicht nur auf die oberflächlichen Artikel verlassen, die über angeblich halbierte Stromkosten jubelten. Man musste sich nur die Roadmap von Siemens (WKN:723610) anschauen, um sich darüber klar zu werden, dass diese Gebote anders kalkuliert sind. Schließlich sind die marktführenden Deutsch-Dänen mit der Industrialisierung der Turbinenfertigung am weitesten vorangekommen und hoffen gerade mal, bis 2025 die Stromgestehungskosten auf unter 8 Eurocent pro Kilowattstunde drücken zu können, also immer noch mehr, als die Konsortien bereit waren, zu akzeptieren. Das passte irgendwie nicht zusammen.

Vor allem in Artikeln von Branchenpublikationen kam für mich aber schon raus, dass mit den besonders niedrigen Geboten zum Teil ein Signal gesetzt wurde. Schließlich geht es auch darum, dass die Offshore-Windkraft gegenüber alternativen Energieerzeugungsarten wie Solar oder Geothermie wettbewerbsfähig bleiben muss. Gelingt es nicht, eine genügend große Anzahl an Projekten zu entwickeln, dann gerät sie schnell ins Hintertreffen. Die aktuell außerordentlich günstigen Finanzierungsbedingungen geben weiteren Spielraum.

Trotzdem muss man den wichtigen Punkt beachten, dass sich die Projekteigentümer in vielen Fällen noch mehrere Jahre Zeit lassen bis zu ihrer endgültigen Investitionsentscheidung. Bedenklich ist auch, dass ein früher so wichtiger Spieler wie die norwegische Statkraft sich aus dem Markt zurückzieht. Insgesamt bleibt für mich das Gesamtbild aber vielversprechend. Dass nun neben Energieversorgern auch immer mehr Öl- und Gas-Konzerne wie Shell (WKN:A0D94M) in den Markt drängen und neue Regionen wie Australien oder Nordamerika erschlossen werden, das macht mir schon Hoffnung.

Auch was die Kostensenkungspotenziale angeht, bin ich optimistischer als die Autoren der Studie. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette werden die Abläufe und Komponenten immer ausgefeilter und effizienter und an preiswerteren Fundamenten wird intensiv geforscht. Anfang bis Mitte der 2020er-Jahre werden zudem wahrscheinlich alle großen Hersteller seriengefertigte Turbinen jenseits der 10-MW-Klasse im Programm haben. Zu behaupten, dass all das die Kosten nicht nach unten bringen würde, widerspricht jeder Erfahrung.

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Ralf Anders besitzt Wertpapiere auf Senvion und Nordex. The Motley Fool empfiehlt Nordex.



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