Wie steht es eigentlich um die Apokalypse der Großbanken?
Ziemlich genau ein Jahr ist es her, als die Aktienkurse deutscher Großbanken im freien Fall waren. Die Aktie der Commerzbank (WKN:CBK100) hat nur knapp vor der 5 Euro-Marke halt gemacht, die Kurse von fast 200 Euro von vor der Finanzkrise waren längst Geschichte. Der Deutschen Bank (WKN:514000) erging es kaum besser und die Aktie wurde kurzzeitig für weniger als 10 Euro gehandelt, nachdem 2007 schon 90 Euro zum Greifen nah erschienen.
Das letzte Jahr hat es aber bisher gut mit den beiden größten deutschen Finanzinstituten gemeint, beide Aktienkurse haben sich massiv erholt. Ist die Gefahr jetzt aber wirklich gebannt? Ich habe meine Zweifel und zwar gleich aus mehreren Gründen.
Das Zinsniveau wird keinen Rückenwind geben
Es stimmt zwar, dass die amerikanische Notenbank die Zinsen mittlerweile schon wieder anhebt und auch von EZB-Präsident Mario Draghi erst in den letzten Tagen eine Wende in der Nullzinspolitik in Aussicht gestellt wurde. Das heißt aber noch lange nicht, dass wirklich signifikant höhere Zinsen in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten zu erwarten sind.
Die Schuldenberge sind noch immer gigantisch und die meisten Volkswirtschaften könnten höhere Zinsen gar nicht ertragen. Stattdessen ist das Rezept, über das man bloß nicht offen spricht, dass moderate Inflation, gekoppelt mit sehr niedrigen Zinsen, in den nächsten Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten den Schuldenberg abschmelzen soll. Ein Rettung durch rasantes Wirtschaftswachstum ist sehr unwahrscheinlich.
Allein deswegen werden die Zinsen wahrscheinlich noch sehr lange sehr niedrig bleiben. Es gibt dafür aber noch einen weiteren Grund, nämlich dass Unternehmen einen immer geringeren Kapitalbedarf haben. Zum einen werden viele Geschäftsmodelle weniger kapitalintensiv als früher, zum anderen machen die meisten Unternehmen gute Geschäfte und können ihre Investitionen selbst finanzieren. Die Welt, in der Haushalte sparen, damit Banken das Geld Unternehmen für ihre Investitionen zur Verfügung stellen, findet man eher im Schulbuch als in der Realität. Wenn aber gar keine große Nachfrage nach Krediten vorhanden ist, dann kann man aber auch nur schwer hohe Zinsen für sie verlangen.
Fintech lässt noch auf sich warten, aber es bleibt ein Damoklesschwert
Auch die aufkommenden Fintech-Finanzdienstleister bleiben eine Gefahr für die Geschäftsmodelle der Großbanken. Noch sind die neuen Lösungen wahrscheinlich nicht ganz ausgereift, aber das ist nur noch eine Frage der Zeit. Danach wird dann wichtig, dass Verbraucher auch tatsächlich umsteigen. Gerade bei Finanzdienstleistungen ist die Hemmschwelle oft hoch, den Anbieter zu wechseln oder neue Produkte auszuprobieren, aber die Grundregel bei solchen Entwicklungen ist oftmals, dass es schnell geht, sobald der Stein erst einmal ins Rollen gebracht wurde.
Deshalb ist es schwer den genauen Zeitpunkt vorherzusehen, wann Fintech-Unternehmen wirklich Marktanteile gewinnen werden, aber das Potential ist riesig. Schließlich haben fast alle gängigen Banken gigantische Kostenstrukturen, jede Menge Personal und teure Immobilien, um Dienstleistungen anzubieten, die in der Regel von einer einfachen App ersetzt werden können.
Auch sollte man hier den Unterschied zwischen den Generationen berücksichtigen. Viele Menschen, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind, haben noch immer Berührungsängste alles im Internet zu erledigen, die nachfolgenden Generationen werden allerdings ziemlich sicher wenig Geduld für alles haben, was man nicht online erledigen kann.
Fazit: Der Gegenwind könnte zum Sturm werden
Die nächsten Jahre könnten durchaus wieder gewinnbringend für Deutschlands Großbanken sein. Man darf nicht vergessen, dass es auch schon jetzt große Bemühungen gibt, schlanker und digitaler zu werden.
Noch ist aber nichts in trockenen Tüchern. Der Rückenwind durch höhere Zinsen könnte sehr wohl noch viele Jahre auf sich warten lassen und bis es soweit ist, dürften sich schon die ersten Fintechs positionieren, um Marktanteile zu gewinnen. Die Großbanken werden sich kaum genug zurechtstutzen können, um hier mitzuhalten. Das heißt sie können sich dann vermutlich nur zwischen dem Erhalt von Marktanteilen oder für Profitabilität entscheiden, im schlimmsten Fall keines von beiden.
Die Gefahr bleibt also, dass die letzten Kursgewinne in einigen Jahren nur noch als Strohfeuer in Erinnerung bleiben werden.
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Marlon Bonazzi besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.