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Sitzt VW auf einer 33 Milliarden Euro schweren Zeitbombe?

Foto: Getty Images

Die 30 DAX-Unternehmen sitzen zum Ende des Jahres 2018 auf 120 Milliarden Euro an ungedeckten Pensionsverpflichtungen. Beunruhigende 33 Milliarden davon entfallen allein auf den Volkswagen (WKN:766403)-Konzern. Eine unglaublich klingende Zahl, die für viele eine baldige finanzielle Katastrophe unausweichlich erscheinen lässt. Bevor man diese aber allzu zuversichtlich verkündet, sollte man wie bei jeder großen Zahl den Kontext betrachten.

Was steckt denn hinter den 33 Milliarden Euro?

Blickt man auf den VW-Konzern, betrug der sogenannte Barwert der Pensionsverpflichtungen zum Jahresende 2018 stolze 43,9 Mrd. Euro. In Wahrheit hat der VW-Konzern aber noch weit großzügigere Pensionszusagen an aktive und bereits ausgeschiedene Mitarbeiter verteilt. Da die Rentenzahlungen an die Mitarbeiter erst in einer weit entfernten Zukunft eintreten, werden diese Verpflichtungen abgezinst. Genau diese Abzinsung der Verpflichtungen drückt sich in dem Wörtchen Barwert aus.

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Das kann man sich vorstellen wie den Zinseffekt auf einem Tagesgeldkonto. Nur eben andersherum. Eine Auszahlungsverpflichtung von beispielsweise 100 Euro zum 31.12.2019 würde zum 31.12.2018 etwa mit 98 Euro in den Barwert der Verpflichtung eingehen. Eine Verpflichtung von 100 Euro in 50 Jahren nur mit einem Wert von 38 Euro. Zumindest dann, wenn man als Zinssatz bei der Abzinsung 1,97 % wählt. Genau diesen Zinssatz wählt Volkswagen übrigens bei Pensionsverpflichtungen in Deutschland. Mit jedem Jahr, dem man der Zahlungsverpflichtung näher rückt, steigt dann natürlich der Barwert der Pensionsverpflichtung um diese 1,97 %. Dieser im Fachjargon Aufzinsung genannte Vorgang belastet Jahr für Jahr den Gewinn des Volkswagen-Konzerns.

Dem Barwert der Verpflichtungen steht das sogenannte Planvermögen gegenüber. Dieses Vermögen ist speziell zur Deckung der Pensionsverpflichtungen angelegt und betrug beim VW-Konzern zum Jahresende 2018 ganze 10,9 Mrd. Euro. Die ungedeckten Pensionsverpflichtungen von 33 Mrd. Euro ergeben sich also aus dem Barwert der Verpflichtung abzüglich dem bereits zur Seite gelegten Planvermögen.

Hätten die Wolfsburger die komplette Verpflichtung von 43,9 Mrd. Euro über ein enstprechendes Planvermögen gedeckt und würden mit diesem Planvermögen eine jährliche Rendite von exakt 1,97 % erwirtschaften, dann wäre der oben angesprochen Aufwand für die Aufzinsung durch den Zinsertrag gedeckt. Und der VW-Konzern könnte ganz entspannt alle gemachten Pensionszusagen über sein Planvermögen bestreiten.

Ein steigendes Zinsniveau könnte das Problem verkleinern

Hätte man die gleiche Rechnung bereits im Jahr 2008 gemacht, sehe diese übrigens deutlich anders aus. Aufgrund des höheren Zinsniveaus betrug der Zinssatz zur Abzinsung der Pensionsverpflichtungen damals noch stolze 5,7 %. Eine Auszahlungsverpflichtung von 100 Euro in 50 Jahren bedeutete damals einen Barwert der Verpflichtung von nur etwas mehr als 6 Euro. Deutlich weniger als die 38 Euro bei einem Rechnungszinssatz von 1,97 %.

Das machte sich natürlich auch im Barwert der VW-Pensionsverpflichtung bemerkbar. Dieser betrug zum Jahresende 2008 gerade einmal knapp 16 Mrd. Euro. Der Anstieg der Pensionsverpflichtung der letzten Jahre dürfte also im Wesentlichen auf das geänderte Zinsniveau zurückzuführen sein. Damals waren übrigens 3 Mrd. Euro über das Planvermögen abgedeckt. Die ungedeckten Pensionsrückstellungen betrugen damals also rund 13 Mrd. Euro. Noch immer eine beunruhigend hohe Zahl, aber keineswegs so beunruhigend wie die heutigen 33 Mrd. Euro.

Sollte das Zinsniveau nun wieder steigen – ich persönlich kann und will keine Einschätzung darüber abgeben – könnte sich der Barwert der Verpflichtung deutlich verringern. Auf die Höhe des Planvermögens hätte ein Zinsänderung zunächst keine Auswirkung. Die Differenz zwischen Planvermögen und dem Barwert der Verpflichtung und entsprechend die Rückstellungen für Pensionverpflichtungen würde so aber wieder deutlich geringer ausfallen.

Natürlich wären dann auch die jährlichen Aufwendungen zur Aufzinsung der Pensionsrückstellungen deutlich höher. Umgekehrt aber auch die Ertragschancen bei den im Planvermögen angelegten Finanzmitteln. Diese Perspektive nimmt nun schon etwas Druck aus der Betrachtung – zumindest, wenn man an ein wieder steigendes Zinsniveau glaubt.

Eine baldige Katastrophe ist nicht in Sicht

Freundlicherweise veröffentlicht der VW-Konzern das Fälligkeitsprofil der Pensionsverpflichtungen. Ein Großteil der Pensionsverpflichtungen muss naturgemäß in einer sehr weit entfernten Zukunft ausbezahlt werden. Ganze 85 % der Verpflichtungen werden beispielsweise erst in mehr als fünf Jahren fällig. VW hat heute also noch sehr viel Zeit, die noch ungedeckten Pensionsrückstellungen zu decken. Natürlich muss die wirtschaftliche Entwicklung des Konzerns gut genug sein, um genau dies tun zu können.

Noch ein anderer Aspekt ist bei der Pensionsgeschichte interessant. Denn die Eigenschaft der eingegangenen Verpflichtung macht es erforderlich, einen großen Teil des Planvermögens recht kurzfristig und vor allem entsprechend sicher anzulegen. So stecken nur 1,5 Mrd. Euro des VW-Planvermögens in Aktienfonds, 5,5 Mrd. Euro hingegen in Rentenfonds und 0,7 Mrd. Euro versauern wohl beinahe renditelos als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente.

Die Rendite auf diesen Teil des Konzernvermögens dürfte also eher bescheiden ausfallen — das zeigt auch schon der anzuwendende Abzinsungszinssatz von gerade einmal 1,97 %. Im operativen Industriegeschäft verdiente VW im Jahr 2018 hingegen eine Kapitalrendite von 11 %. Natürlich, mit dem dort verdienten Geld müssen die notwendigen Zukunftsinvestitionen und die Dividendenzahlungen an die Aktionäre bestritten werden. Aber zumindest im Jahr 2018 war das Kapital im operativen Geschäft deutlich besser investiert als im Pensionsdeckungsvermögen.

Ich weiß, diesen Gedanken werden aktive und passive VW-Mitarbeiter, die um ihre Pensionszusagen bangen, nicht gerne hören. Auch ich bin der Meinung, dass ein geringerer Betrag an ungedeckten Pensionsverpflichtungen grundsätzlich immer besser ist. Eine sehr bald schon eintretende Katastrophe sehe ich trotz der horrend hoch klingenden Zahl von 33 Mrd. Euro (noch) nicht. Insbesondere aufgrund der Fälligkeit eines großen Teils der Verpflichtungen in einer erst weit entfernten Zukunft.

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Sven besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.



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