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Mein Leben mit der Steinhoff-Aktie in fünf Episoden

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Foto: Getty Images

Eine der großen Börsengeschichten der letzten Quartale hat zweifellos die skandalträchtige Steinhoff International Holdings (WKN:A14XB9) geboten. Eine Aktie, die zuvor kaum jemand auf dem Schirm hatte, dominierte plötzlich die Medienlandschaft. Ich habe das Geschehen seither genau verfolgt und möchte meine Eindrücke auf dem Weg bis heute teilen sowie eine Einschätzung geben, wie es jetzt weitergehen könnte.

Episode 1: Der Dax-Kandidat

Das erste Mal, dass ich mich bewusst mit der Steinhoff-Aktie beschäftigte, war Mitte 2017. Ich war auf der Suche nach möglichen DAX-Aufsteigern, und da erschienen die damals rund 20 Milliarden Börsenwert ganz schön beeindruckend im Vergleich zu einigen geschrumpften Banken und Versorgern.

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Aus verschiedenen Gründen hatte ich mich trotzdem nicht weiter damit beschäftigt. Der Einzelhandel ist alles andere als mein Spezialgebiet und das Interesse der meisten Anleger an der Aktie war ähnlich gering wie mein eigenes. Ein unübersichtliches Konzernkonstrukt mit Hauptsitz in Südafrika, Registrierung in den Niederlanden, Europazentrale in Österreich und Börsenplatz in Deutschland ist halt auch nicht sonderlich attraktiv.

Episode 2: Enron und EM.TV

Dieses Misstrauen gegenüber der auffälligen Struktur war durchaus berechtigt, wie sich wenige Monate später herausstellte. Kritik und Gerüchte gab es schon im Vorfeld – Leute mit Informationsvorsprung hatten bereits massiv verkauft und den Kurs von 5 auf 3 Euro gedrückt –, aber im Dezember platzte die Bombe: Bilanzunregelmäßigkeiten, abgesagte Zahlenvorlage, Rücktritt des Vorstandschefs Markus Jooste.

Jetzt wurde es interessant. Was steckte dahinter? Wie schlimm war es wirklich? Als die Aktie zum Pennystock degradiert wurde und ich mich mit den Vorwürfen vertraut gemacht hatte, schwirrten zwei Namen in meinem Kopf: „Enron“ und „EM.TV“, zwei der spektakulärsten Pleiten der letzten Jahrzehnte.

Bei Enron wurden vom Management so komplexe und teilweise außerbilanzielle Finanzstrukturen geschaffen, dass sie letztlich keiner mehr nachvollziehen konnte. Meine Intuition war, dass es bei Steinhoff ähnliche Dimensionen annehmen könnte. Folglich schreckte ich zunächst vor einem Engagement zurück, denn ein Bankrott schien hochwahrscheinlich.

Episode 3: Der Wert

Im nächsten Schritt – der Aktienkurs war weiter gesunken – habe ich nüchtern versucht, mit den verfügbaren Informationen eine realistische Bewertung zu erhalten. Die skandalisierte Presse war keine Hilfe. Stattdessen habe ich die letztverfügbare Bilanz in die Hand genommen, also den manipulierten Bericht zum Geschäftsjahresende 30.09.2016.

Die wichtigste Information in so einem Fall betrifft zweifellos den Umfang und die Werthaltigkeit des Eigenkapitals: knapp 16 Mrd. Euro standen dort. Aber was davon konnte manipuliert worden sein? Immerhin blieb der Finanzchef ja an Bord, was für mich bedeutete, dass die kleineren Buchungen im Tagesgeschäft nicht betroffen waren. Es musste also eher um die Wertansätze bei den großen Posten gehen, worauf Jooste und Co. Einfluss nehmen konnten.

Meinen Fokus legte ich also auf Übernahmeprämien (Goodwill) und immaterielle Vermögensgegenstände, die sich auf 16,5 Mrd. Euro summierten. Auch das Immobilienportfolio wäre an diesem Punkt kritisch zu hinterfragen gewesen, aber hätten die Bilanzprüfer von Deloitte nicht zumindest dort erkennen müssen, was Sache ist?

Mein Eindruck war jedenfalls, dass rund die Hälfte der 16,5 Mrd. Euro auf Doppelbuchungen und anderen Tricks basieren könnte. Möglicherweise war auf dem Weg bis Ende 2017 noch mehr Schaden angerichtet worden und die Tumulte durch die Aufarbeitung des Skandals sollten auch noch einmal die eine oder andere Milliarde vernichten. An größere Gewinnbeiträge aus dem operativen Geschäft war daneben nicht mehr zu denken.

Letztlich kam ich auf eine Schätzung von 4 bis 6 Mrd. Euro Eigenkapital für die 2017-Bilanz und die Erwartung, dass davon am Tiefpunkt der Krise mindestens 2,5 Mrd. Euro bleiben würden.

Episode 4: Superschnäppchen?

Aber das war natürlich nur eine mittlere Erwartung. Noch immer musste man stark mit einer Insolvenz rechnen, zumal die nun mächtigen Fremdkapitalgeber keinerlei Rücksicht auf die Aktionäre zu nehmen schienen.

Aber auch wenn die Presse „Steinhoff rutscht tiefer in die Krise“ und Ähnliches titelte (und einige Foolishe Kollegen aus guten Gründen von einem Engagement abrieten), fokussierte ich mich auf das Wesentliche. Für mich hellte sich das Bild Schritt für Schritt auf. Die neue Aufsichtsratschefin Heather Sonn schien einen guten Job zu machen, die meisten Töchter machten meinen Recherchen zufolge ganz ordentliche Geschäfte und die Holding hatte weiterhin eine Menge Vermögensgegenstände, die für Liquidität sorgten.

Was die Insolvenzgefahr anging, war ich mittlerweile recht entspannt. Die Spezialisten von pwc und Deloitte durchwühlten die Zahlenwerke seit Monaten unter Hochdruck. Wenn die zwischendurch auch nur den leisesten Verdacht gehabt hätten, dass Steinhoff wertlos sei, hätten sie umgehend Alarm geschlagen.

Also kombinierte ich: Börsenwert von unter 1 Mrd. Euro, Eigenkapital von voraussichtlich mindestens 2,5 Mrd. Euro und eine hohe Wahrscheinlichkeit des Fortbestands. Das roch nach einer guten Investition!

Episode 5: Zwischen Ernüchterung und Zuversicht

Vor einigen Tagen kamen dann endlich Vergleichswerte von Steinhoff selbst. Zum 31.03.2017 wird das Eigenkapital nun mit 5,7 Mrd. Euro angegeben und zum 31.03.2018 mit 3,8 Mrd. Euro. Das lag im Rahmen der Erwartungen, was schon mal gut war.

Weniger erfreulich sind die Aussagen zum operativen Geschäft. Dieses wurde laut Management Board nicht nur durch das Chaos auf der Holding-Ebene gestört, sondern auch durch „schwierige Bedingungen im Einzelhandel“. Ich bin ja wie gesagt kein Experte für den Einzelhandel, aber unter dem Eindruck des anhaltenden Wirtschaftsbooms hätte ich solch eine negative Aussage nicht erwartet.

Dabei ist es für die zukünftige Entwicklung des Konzerns entscheidend, dass er wieder profitabel genug wird, um nicht nur die Schulden zu bedienen, sondern auch die Bilanz zu stärken und letztlich wieder in der Lage zu sein, Dividenden auszuschütten. Ein allgemeiner Konjunktureinbruch zum jetzigen Zeitpunkt wäre folglich tödliches Gift.

Dass das Management auf allen Ebenen angewiesen wurde, für eine niedrigere Kostenbasis zu sorgen, ist folglich eine dringende Notwendigkeit. Ich denke aber auch, dass das gelingen kann, sodass in naher Zukunft alle Einheiten wieder zum operativen Ergebnis beitragen dürften.

Zuversichtlich stimmt mich auch, dass die Bilanz nun offenbar – soweit möglich – konsequent bereinigt wurde. Der Goodwill für das amerikanische Problemkind Mattress Firm wurde beispielsweise komplett abgeschrieben. Dabei wirkt deren neuer CEO Steve Stagner hochmotiviert und wenn man den letzten Erfolgsmeldungen Glauben schenkt, greift der Turnaround bereits.

Mein Fazit

Steinhoff ist eine Aktie, die ich mir unter Normalbedingungen niemals ins Depot gelegt hätte. Aber gerade in solchen Sondersituationen, wo die Presse oft wenig fundierte Unsicherheit streut, kann es sich lohnen, tiefer in die Bilanz zu blicken und auch mal polnische, französische oder südafrikanische Zeitungen zu lesen. Für mich war es bisher eine spannende Reise in die Niederungen eines Skandals und ich bleibe zuversichtlich, dass sie nun in die richtige Richtung weitergeht.

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Ralf Anders besitzt Aktien von Steinhoff International. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.



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