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Steinhoff: Was wir bereits wissen und welche Fragen noch offen sind

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Foto: Getty Images

Steinhoff International (WKN:A14XB9) hat mal wieder eine Wasserstandsmeldung publiziert, um uns darüber zu informieren, wie das neue Management bei der Stabilisierung des umstrittenen Konzerns vorankommt. Vieles scheint in die richtige Richtung zu gehen, aber zu einigen entscheidenden Fragen kann man weiterhin nur spekulieren — hier ist meine aktualisierte Einschätzung dazu.

Was wir wissen

Es war bereits absehbar, aber jetzt wurde es offiziell bestätigt: Der Betrieb der Tochtergesellschaften kann zunächst weitgehend unbeschränkt fortgeführt werden. Es konnten ausreichend Mittel aufgetrieben werden, um kurzfristige Rechnungen zu begleichen.

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Die zum Teil hektisch wirkenden Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung könnten für erhebliche Buchverluste sorgen. Auf der anderen Seite hat Steinhoff ein nettes Beteiligungsportfolio. Mit dem Verkauf von Anteilen an der Investmentholding PSG Group, der fast eine halbe Milliarde Euro einbrachte, konnten stattliche Gewinne realisiert werden. Ein gutes Zeichen ist, dass die andere große Beteiligung, KAP Industrial Holding, bisher nicht versilbert werden musste. Der 39 %-Anteil ist heute etwa 700 Mio. Euro wert.

Die großen offenen Fragen

1. Wie genau hat das Spiel der Patrone funktioniert?

Dass der frühere Finanzchef Ben la Grange an Bord bleibt, sagt mir, dass die alltägliche Buchhaltung durchaus korrekt ablief. Es deutet alles darauf hin, dass hier nicht im Klein-Klein geschummelt wurde, sondern vielmehr im ganz Großen.

Nach allem, was ich bisher gelesen habe, ist meine Theorie, dass die Patrone (also die letztlich Verantwortlichen) sich auf Kosten der Holding bereichert haben. Sie haben ihre Steinhoff-Aktienpakete dafür eingesetzt, um möglichst große persönliche Bankkredite zu erhalten. Um den Steinhoff-Aktienkurs zu pushen, wurden wohl zwei Tricks eingesetzt, so wie ich es verstehe:

Erstens wurden außerbilanzielle Gesellschaften gegründet, mit denen die Holding verdeckte Geschäfte betrieb. Im Gegenzug flossen überhöhte Zahlungen etwa in Form von Mieten zurück, welche dem operativen Ergebnis einzelner Töchter zugutekamen. Es entstand der falsche Eindruck, dass Steinhoff besonders gut darin sei, die Profitabilität der Zukäufe zu steigern. Das half zweitens dabei, die hohen bilanzierten Firmenwerte (Goodwill) zu rechtfertigen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Patrone am Finanzchef vorbei dafür gesorgt haben, diese überhöhten Wertansätze festzulegen.

Für mich liegt nahe, dass die Patrone ihr Insiderwissen genutzt haben, um sich im Vorfeld mit ihrem eigenen Geld bei den Übernahmezielen einzudecken. Je höher die Übernahmeprämien, desto größer der Reibach. Es dürfte relativ leicht sein, über Investmentvehikel im Vorfeld des Kaufs unerkannt als Mitinvestor unterzutauchen.

Möglicherweise haben sie dabei den Bogen überspannt. Als die geldgebenden Banken einigermaßen verstanden haben, wie das Ganze läuft, haben sie wohl Panik geschoben und nicht nur die Patrone unter Druck gesetzt, sondern auch die Holding.

2. Wie viel Eigenkapital wird bleiben?

Im Moment wird Steinhoff an der Börse mit gut 2 Mrd. Euro bewertet (Stand: 26.01.), obwohl das den Aktionären zurechenbare Eigenkapital im September 2016 noch mit fast 16 Mrd. Euro ausgewiesen wurde. Die mittlere Markterwartung ist also, dass 14 Mrd. Euro ausgelöscht werden, wobei auch einer Pleite samt Totalverlust eine gewisse Wahrscheinlichkeit zugeordnet wird.

Ich für meinen Teil bin mittlerweile sehr zuversichtlich, dass eine Insolvenz abgewendet werden kann. Mein Worst-Case wäre, dass der Goodwill und immaterielle Vermögenswerte halbiert werden müssen, zuzüglich einiger Reibungsverluste durch die ganzen Turbulenzen. Dann würden aber immer noch komfortable 7 Mrd. Euro übrig bleiben, etwaige Gewinne aus der Zwischenzeit nicht eingerechnet.

3. Wie profitabel sind die Töchter wirklich?

Ein weiterer für die Bewertung der Holding entscheidender Faktor betrifft die wahre Profitabilität der Töchter. Im letzten Geschäftsbericht wurden 1,8 Mrd. Euro Betriebsgewinn ausgewiesen, was bei einem Umsatz von 16,4 Mrd. Euro einer operativen Marge von 11 % entspricht.

Falls hier, wie oben dargestellt, über Gewinnverschiebungen mittels außerbilanziellen Gesellschaften nachgeholfen wurde, kann man damit rechnen, dass in der bald vorgelegten berichtigten Bilanz viel weniger ausgewiesen wird. Nach Zinsen und Steuern bliebe dann nicht mehr viel übrig, weshalb die Aktie vermutlich kaum mehr als mit dem Buchwert bewertet würde.

4. Drohen Klagen gegen die Holding?

Staatsanwaltschaften, Regulierungsbehörden und Aktionäre sowohl in Europa als auch in Südafrika und vielleicht sogar in den USA werden das Gebaren der Holding-Verantwortlichen voraussichtlich genau unter die Lupe nehmen. Geschädigte gibt es viele und manch ein Beobachter erwartet, dass hier weiteres Ungemach auf den Konzern zukommt. An potenziell jahrelangen Prozessen mit unklarem Ausgang könnte der Konzern zerbrechen.

Aber wenn die Patrone sich privat bereichert haben, dann sollten doch primär sie zur Rechenschaft gezogen werden und nicht die Aktiengesellschaft, die ja letztlich selbst ein Opfer der Machenschaften ist. Möglicherweise kann Steinhoff eines Tages sogar Geld von den beteiligten Banken zurückfordern, falls die restriktiven Maßnahmen gegenüber der Holding nach Kenntnis aller Umstände als unverhältnismäßig einzuschätzen sind.

Fazit

Täglich gehen Einzelmeldungen zu Steinhoff durch die Presse, ohne alles in den größeren Kontext einzuordnen. Für die Bewertung der Holding hilft das oft nicht wirklich weiter. Deshalb habe ich hier erneut versucht, ein umfassendes Bild zu erstellen und komme zum Schluss, dass ein Investment bei Kursen um 50 Eurocent ein gutes Chancen-Risiko-Verhältnis bietet. Ähnlich wie das Steinhoff-Management rate ich aber, Vorsicht walten zu lassen.

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Ralf Anders besitzt Aktien von Steinhoff. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.



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